Löschaktion
Das Bundeskanzleramt hatte offenbar nach Möglichkeiten gesucht, Mails und Kalendereinträge, die älter als ein Jahr sind, zum 10. November zu löschen, um die Server zu entlasten. Die Aufregung war riesengroß. Weil ein Zusammenhang mit den ominösen Chatverläufen von Sebastian Kurz, anderen Politikern und Spitzenbeamten vermutet wurde, kritisierte die Opposition die Löschaktion heftig. Das Vorhaben wurde schließlich zu Recht abgeblasen, da der zeitliche Zusammenhang mit der Aufdeckung der hinterfragenswerten Vorkommnisse im Finanzministerium unter dem seinerzeitigen Generalsekretär Thomas Schmid schon stutzig macht.
„Selbstverständlich haben diese Personen ein Recht auf Privatsphäre und sie haben auch ein Recht auf private Kommunikation.“
Verschiedentlich wurde argumentiert, die Löschaktion verstoße gegen das Gesetz, weil in einer Behörde alle Informationen zu archivieren seien. Das ist unrichtig: Das Staatsarchiv und die Landesarchive würden von Millionen Mails zugemüllt, mit denen niemand etwas anfangen kann. Entscheidungsrelevante Mails sind vielmehr in einem elektronischen Akt abzuspeichern oder ausgedruckt in einen papierenen Akt zu geben. Wenn man diese Akten nicht mehr braucht, sind sie zu archivieren. Der Rest ist zu löschen. So einfach ist das. Auch mein dienstlicher Email-Server fordert mich in kurzen Abständen immer wieder auf, Emails zu löschen, da meine digitalen Postfächer sonst überquellen. Nichts Besonderes also.
Manche Experten gehen aber sogar noch weiter und sind der Meinung, bei Politikern und Spitzenbeamten dürfe es keine privaten Handys und keine private Kommunikation geben, die nicht aufgezeichnet werde. Das ist natürlich Unsinn. Selbstverständlich haben diese Personen ein Recht auf Privatsphäre und sie haben auch ein Recht auf private Kommunikation.
Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof haben die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, bei der der Staat alle Kommunikationsdaten der Bürger sammelt, unter großem Beifall von Verfassungsexperten als grundrechtswidrig erklärt: Der Staat darf seine Bürger nicht unter Generalverdacht stellen.
Dass manche Apostel der Grundrechte nun im öffentlichen Dienst und in der Politik andere Maßstäbe anlegen wollen, ist absurd und beweist, dass von hehren Prinzipien gerne abgewichen wird, solange es nur die „Richtigen“ trifft.
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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