Elfriede tanzt die Traurigkeit weg

Tanzen ist das Lebenselixier von Elfriede Korn. Erst recht seit sie Witwe ist.
Dornbirn Nach dem Frühstück wurde Elfriede (86) traurig. Sie spürte schmerzlich, wie sehr ihr ihr Mann Paul fehlt, der vor zwei Jahren verstorben ist. Sie vergoss ein paar Tränen, legte dann aber eine Kassette ein mit Schlagern und begann zu tanzen. „Das Tanzen muntert mich auf und bringt mich auf andere Gedanken. Es ist mein Lebenselixier.“ Oft kann die dreifache Mutter die Traurigkeit wegtanzen. Aber manchmal lastet das Alleinsein schwer auf ihrer Seele.
Fast 60 Jahre ging Elfriede mit Paul durchs Leben. „Paul war ein liebevoller, verständnisvoller, zufriedener und fleißiger Mann.“ Wenn sie noch einmal auf die Welt käme, würde sie Paul wieder begegnen wollen und ihm abermals das Jawort geben. „Aber schön wäre, wenn er dann zwei Beine hätte. Ich bin nämlich ein Tanzbär.“ Mit Paul konnte sie leider nicht aufs Tanzparkett, denn ihrem Mann wurde als Kind ein Bein amputiert. „Als zehnjähriger Bub spielte Paul bei Kriegsende mit einem Sprengkörper. Er explodierte und zerschmetterte sein Bein.“

Als Elfriede ihren zukünftigen Mann im Jahr 1960 kennenlernte, entdeckten die beiden, dass sie viele Gemeinsamkeiten hatten. Beide wurden als Kinder nicht gut behandelt. „Mein Mann hatte einen bösen Stiefvater, der ihn schlug und beschimpfte.“ Elfriede wiederum litt unter dem strengen Regime ihres Vaters. „Er war jähzornig.“ Das Mädchen, das in Alberschwende auf einem Bauernhof groß wurde, fand Trost bei den Tieren im Stall. Es tat seiner Seele gut, wenn die Kälbchen seine Hände abschleckten, die Kätzchen um seine Beine strichen und die Lämmchen nach der Flasche verlangten. Der enge Kontakt zu den Tieren ersetzte die mangelnde Nähe zu den Eltern. „Als Kind hat man mich nie umarmt.“ Zu ihrem Leidwesen musste die kleine Elfriede beim Schlachten der Tiere helfen. „Das schockte mich. Die Tiere taten mir so leid. Das Fleisch rührte ich nicht an. Seit damals bin ich Vegetarierin.“
Die schmerzlichen Kindheitserfahrungen verbanden Elfriede und Paul. „Wir wussten, wie es ist, wenn man es schwer hat. Wir konnten uns ineinander hineinfühlen.“ In all den Jahren zogen sie an einem Strang und meisterten zusammen das Leben. Sie gründeten eine Familie, bauten ein Haus und arbeiteten viel. In der spärlichen Freizeit spielte Paul Sitzball, Elfriede hingegen besuchte regelmäßig die Tanzveranstaltungen im Gasthof Schwanen. „Paul hatte nichts dagegen, obwohl ihn manchmal die Eifersucht plagte.“ Rückblickend kann die 86-Jährige mit Fug und Recht behaupten, dass sie ein erfülltes Leben hatte. „Es ging mir gut an Pauls Seite.“ Als er nach einem Sturz im Sterben lag, wich Elfriede nicht mehr von seiner Seite. „Zwei Tage vor seinem Tod sagte Pauli zu mir: ‚Der Sensenmann ist da, siehst du ihn nicht Elfriede?‘“