“Das Leben streut einem keine Rosen”

Suda (Name geändert) wurde jung zur Vollwaise. Ihre Zieheltern beuteten sie aus. Die Thailänderin schaffte es, sich in Österreich ein eigenständiges Leben aufzubauen.
Schwarzach Suda (Name geändert) war noch keine zwei Jahre alt, als sie ihre Mutter verlor. “Mama verblutete bei der Geburt meiner jüngsten Schwester.” Ein halbes Jahr später wurde ihr Vater ermordet. “Ein Mann erschoss meinen Vater aus Eifersucht.” Jetzt war Suda Vollwaise.
Der Gouverneur von Bangkok adoptierte Suda und ihre Schwester, die beide aus dem Norden Thailands stammen. Sudas Zieheltern benutzten sie als Sklavin. Sie ließen sie schon als Kind harte Arbeit verrichten und scheuten auch nicht davor zurück, das Mädchen zu schlagen. “Bevor ich zur Schule ging, musste ich das Haus putzen. Ich stand um 4.30 Uhr auf.” Nach der Schule hatte sie keine Zeit, um zu lernen und Hausaufgaben zu machen. Sie musste ihren Zieheltern zu Diensten sein. “Mit sieben Jahren schon musste ich meine Ziehmutter jeden Abend massieren.” Schließlich durfte Suda überhaupt nicht mehr zur Schule gehen. Aber in den Nächten brachte ihr ihre Schwester, die bei der Schwester des Gouverneurs wohnte, heimlich das Rechnen, Schreiben und Lesen bei.
Flucht aufs Land
Suda wuchs zu einer hübschen, jungen Frau heran. Als sie 17 Jahre alt war, bedrängte sie ihr Ziehvater. “Er wollte mir die Unschuld rauben und bot mir dafür viel Geld an.” Suda vertraute sich ihrer Ziehmutter an. “Doch Mama glaubte mir nicht.” Daraufhin flüchtete Suda zu ihrer Tante und ihrem Opa aufs Land. “Ich arbeitete dort auf einem Reisfeld.”
Mit 19 ging Suda zurück nach Bangkok. “Dort habe ich als Friseurin, Kosmetikerin und Fußpflegerin gearbeitet.” Schließlich lernte sie einen Mann kennen. Sie brachte einen Sohn und eine Tochter zur Welt. Doch die Beziehung währte nicht lange. “Mein Partner schlug mich. Er war sehr eifersüchtig.” Kaum getrennt, lernte Suda in Bangkok wieder einen Mann kennen, einen Niederösterreicher. “Wir haben in Thailand geheiratet und sind dann zusammen nach Österreich gekommen. Das war im Jahr 1993. 1998 wurde unser gemeinsamer Sohn geboren.” Aber auch diese Beziehung hielt nicht. “2002 ließ ich mich scheiden. Ich wollte auf eigenen Beinen stehen.”
“Noch schlimmer wäre es gewesen, wenn aus mir eine Reisbäuerin mit sieben Kindern geworden wäre.”
Suda, Masseurin
2006 zog Suda nach Wien. Dort begann sie erstmals als Masseurin zu arbeiten. Sie bildete sich in diese Richtung fort. “Ich machte einen Kurs beim Wifi und lernte in Wien auch Thai-Massage. Dann habe ich als selbstständige Masseurin gearbeitet. Ich hatte einen eigenen Salon.” Doch im Jahr 2010 machte ihr die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung. “Ich erkrankte schwer: Gebärmutterhalskrebs. Bei der OP verlor ich viel Blut. Es war eine gefährliche Situation.” Die Genesung dauerte zwei Jahre.
Danach begann sie wieder zu arbeiten. “Ich habe mich dann in einen Stammkunden verliebt.” Suda heiratete den Mann im Jahr 2017. Sechs Jahre später ließ sich die Thailänderin scheiden. “Die Coronapandemie machte unsere Ehe kaputt.” Im Vorjahr zog Suda schließlich nach Vorarlberg, weil sie hier eine Stelle als Masseurin bekam. “Hier ist das Leben nicht so hektisch wie in Wien. Ich bin glücklich in Vorarlberg.”
Aus ihr wurde keine Reisbäuerin
Das Leben meinte es nicht immer gut mit der thailändischen Frau. Trotzdem ist sie ihren Zieheltern dankbar, dass sie sie adoptiert haben. “Noch schlimmer wäre es gewesen, wenn aus mir eine Reisbäuerin mit sieben Kindern geworden wäre.” Suda will nicht klagen, aber im Laufe ihres 56-jährigen Lebens kam sie zu der Erkenntnis, “dass das Leben einem keine Rosen streut, sondern Steine in den Weg legt”.