Freistil-Unterricht
Über einen großen Teil der Bevölkerung wurden strenge Ausgangsregelungen und Kontaktverbote verhängt. Eine durchaus wesentliche Gruppe bleibt davon faktisch ausgenommen. Nein, es sind nicht etwa die dreifach Geimpften, die nach aktuellem Wissensstand für eine gewisse Zeitspanne kaum mehr schwer erkranken und das Virus kaum weitergeben können. Es handelt sich auch nicht um andere Gruppen, die eine hohe Immunität aufweisen, wie zum Beispiel gerade Genesene.
Zusammenfinden dürfen sich ausgerechnet jene Menschen, welche die niedrigsten Impfquoten und konsequenterweise sagenhaft hohe Inzidenzen aufweisen, nämlich die Schülerinnen und Schüler. Die Schulen halten offen, wodurch viele noch ungeimpfte Kinder und Jugendlichen in Kontakt mit Lehrerinnen und Lehrern geraten, deren Impfschutz allmählich zu schwächeln beginnt, ganz abgesehen von jener Minderheit, die sich niemals hat impfen lassen.
Wie die Öffnung der Schulen bei gleichzeitiger Einschränkung der Bewegungsfreiheit von doppelt und dreifach Geimpften und Genesenen vor dem Verfassungsgerichtshof argumentiert werden kann, bleibt spannend. Es wird zwar geltend gemacht, die vielen Testungen garantierten, dass Infektionen früh erkannt und die Betroffenen isoliert werden können. Das funktioniert aber auch nur dann, wenn die PCR-Tests rechtzeitig einlangen. Außerdem würden die Jugendlichen zu Hause in ein Ausweichverhalten wechseln und sich trotzdem treffen. Das mag sein. Aber weshalb fünf Jugendliche, die sich trotz Ausgangsverbots treffen, gefährlicher sein sollen als 25, die den ganzen Tag zusammensitzen, bleibt offen.
Schließlich wird noch das Argument ins Spiel gebracht, dass Distance Learning für die schwächeren Schülerinnen und Schüler ein besonderes Problem sei. Aber es wurde ja eine Art Freistil-Unterricht eingeführt, deren pädagogischer Wert hinterfragt werden kann: Die Jugendlichen können, müssen aber nicht in die Schule. Der Unterricht für die Daheimgebliebenen kann, muss aber nicht online erfolgen. Schularbeiten sollen keine stattfinden, können aber im Einzelfall doch vorkommen.
Dem Vernehmen nach hat der Bildungsminister diese Art (halb)offener Schule mit seinem Weiterverbleib im Amt verknüpft. Manchmal wäre es sinnvoller, eine Rücktrittsdrohung für eine bessere Sache einzusetzen.
„Schularbeiten sollen keine stattfinden, können aber im Einzelfall doch vorkommen.“
Peter Bussjäger
peter.bussjaeger@vn.at
Peter Bußjäger ist Direktor des Instituts für Föderalismus und Universitätsprofessor in Innsbruck.
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