Gericht: Freispruch trotz schwerer Körperverletzung

Vorarlberg / 07.03.2022 • 15:50 Uhr
Gericht: Freispruch trotz schwerer Körperverletzung
Der 23-jährige Angeklagte schlug damals kräftig zu. Doch er tat es in Notwehr, so die Auffassung des Gerichtes. Eckert

Täter handelte in Notwehr: Opfer hatte erlittenen doppelten Kieferbruch selbst zu verantworten.

feldkirch Vergangenen August feierten etliche Gutgelaunte auf einem Weinfest in Götzis. Der sinngebenden Bezeichnung des Festes entsprechend wurde auch reichlich getrunken. Vor allem von drei Männern, die sich dann plötzlich völlig grundlos in die Haare gerieten.  Ein 48-jähriger Beteiligter der Auseinandersetzung erlitt durch die Schläge eines 23-jährigen Kontrahenten einen doppelten Kieferbruch.

Bei der späteren Verhandlung am Landesgericht Feldkirch zunächst als Opfer qualifiziert, räumt der 48-Jährige ein, dass er den ganzen Tag mit dem Rad unterwegs gewesen sei und dabei wenig gegessen, dafür umso mehr getrunken habe. Vor Gericht bestätigen sämtliche Zeugen, dass der Mann damals als stark alkoholisiert und angriffslustig gewesen sei. Er habe sein Fahrrad zur Seite geworfen und gebrüllt: „Und – jetzt?“. Dann hätte er sich dem 23-jährigen und dessen Freund mit erhobenen Händen genähert. Dass der Radfahrer nun angreifen werde, sei in der Luft gelegen, sagen die Zeugen.

Nur verteidigt

„Mein Mandant konnte mit gutem Grund annehmen, dass es gleich zu einer Eskalation kommen würde und schlug zu, bevor der andere ihn oder seinen Freund angreifen konnte“, plädiert Verteidiger Max-Benjamin Ellensohn für Notwehr beziehungsweise Nothilfe. Sowohl sein Mandant als auch dessen Kumpel seien dem Gegner körperlich deutlich unterlegen, so der Verteidiger.

Für ihn liegt geradezu ein Lehrbuchbeispiel von Notwehr vor: Aufgeheizte Stimmung, Ankündigung eines Angriffs und eindeutige Gesten, dass es gleich zu einem solchen kommen werde. „Man muss in einer solchen Situation auch schnell handeln“, sagt Ellensohn. Zur Frage, ob die zwei Schläge nicht übertrieben waren und ob eine reduziertere Abwehr nicht auch gereicht hätte, gibt der Anwalt zu bedenken, dass eine unzureichende Abwehrhandlung gegenüber dem Betrunkenen dessen Aggressionspotential vermutlich noch erhöht hätte und die Situation noch gefährlicher geworden wäre.

Opfer geht leer aus

Vor Gericht nimmt das Opfer von damals die Entschuldigung des 23-jährigen Angeklagten an. Auch dieser räumt ein, dass es für alle „dumm gelaufen“ war. Finanziell verlangt der 48-Jährige über seinen Anwalt allerdings eine vorläufige Entschädigung in der Höhe von 4600 Euro. Die Höhe ist prinzipiell gerechtfertigt, das bestätigt ein chirurgisches Gutachten. Danach wurde der Mann durch die zwei heftigen Schläge schwer verletzt. Ein doppelter Kieferbruch und ein abgeschlagener Zahn wurden diagnostiziert. Doch das Gericht sieht Notwehr und auch Nothilfe für den bedrohten Freund des Angeklagten als gegeben und spricht den 23-Jährigen frei. Vor allem das von einer Passantin gedrehte Handyvideo beweist, dass es das Opfer war, das es an jenem Abend auf eine Schlägerei angelegt hatte.