Spitzenforschung oder Studentenleben?
Ich habe nicht mehr mitgezählt, wie oft unsere Landesregierung schon verkündet hat, dass es keine richtige Universität im Lande braucht, weil man es doch auch ohne richten kann. Oder halt irgendwas Ähnliches als Ersatz verkaufen kann. Man will auf Kooperation setzen, das klingt immer gut, auf Spitzenforschung in eben jenen Bereichen, in denen Vorarlberg ja eh schon super ist. Oder es jedenfalls zu sein glaubt. Und ein bissel Medizin und noch ein Sahnehäubchen drauf: Musik.
Das Einzige, das man offenbar immer noch scheut wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser, sind offenbar Studierende. Solche jedenfalls, die nicht bei Mama und Papa wohnen und darauf hoffen können, irgendwann mal Böda zu erben. Studierende, die womöglich von „irgendwo“ herkommen, die womöglich, so etwas wie „Studentenleben“ ins Ländle bringen würden, gar so etwas wie eine kritische Masse, die nicht gar so „pragmatisch“ daherkommt, wie es die Vorarlberger angeblich sind.
„So wird die Weltoffenheit, auf die Vorarlberg so stolz ist, halt doch eher beschworen als gelebt.“
Dabei sind die Vorarlberger gar nicht von Natur aus so. Dafür sorgt nur der „Brain Drain“. Ganz pragmatisch verlassen nämlich diejenigen, die es nicht ganz so „pragmatisch“ mögen, einfach das Ländle – und nur wenige kehren zurück. Das gilt leider ganz besonders für die Kids von Migrantinnen und Migranten, die man sich hierzulande vor allem deshalb gerne so „bildungsfern“ vorstellt, weil die Ehrgeizigen und Neugierigen unter ihnen die Ersten sind, die sich davon machen. Nein, sie sind nicht fern der Bildung, nur fern von Vorarlberg.
So wird die Weltoffenheit, auf die Vorarlberg so stolz ist, halt doch eher beschworen als gelebt. Und wenn es um Bildung oder ums Bier geht, dann will man davon im Ernstfall doch wenig wissen. Straßen bauen ist wichtiger, aber irgendwann ist der Eisenbahnzug in Richtung Weltoffenheit abgefahren und es bleibt der Beton übrig.
Was manche in der Wirtschaft nämlich hinter vorgehaltener Hand längst zugeben und beklagen, das ist ein Alarmsignal erster Güte, wenn nur jemand mal hinhören würde. Es wird nämlich auf allen Ebenen immer schwerer, gute Fachkräfte ins Land zu holen. Vor allem aber, sie hier zu halten. Die spüren nämlich, dass es hier irgendwo klemmt. Und zwar genau da, wo es drauf ankommt. Eine offene Kultur, die Newcomer nicht nur als Gäste auf Zeit nett behandelt, sondern Räume schafft, in denen Verschiedenheit als Normalität erlebt werden kann. Wo man keinen „fremden“ schwarzen Kopf bräuchte, um sich als gemeinsames „wir“ zu definieren.
Hanno Loewy ist Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems.
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