Nach einer dramatischen Flucht in Sicherheit

Vorarlberg / 02.04.2022 • 11:00 Uhr
Die Kriegsvertriebenen bedanken sich für die herzliche Aufnahme und die Hilfe, die ihnen in Dafins zuteil wurde. <span class="copyright">Roland Paulitsch</span>
Die Kriegsvertriebenen bedanken sich für die herzliche Aufnahme und die Hilfe, die ihnen in Dafins zuteil wurde. Roland Paulitsch

Das Ehepaar Längle aus Dafins nahm zehn Flüchtlinge auf. Diese sind der Kriegshölle in der Ukraine nur knapp entronnen.

Dafins Engelbert Längle aus Dafins suchte nach der Scheidung über ein Zeitungsinserat eine Frau. Er fand sie in der Ukrainerin Lyubov. Diese hielt sich öfters in Vorarlberg auf, weil ihre Tochter mit einem Vorarlberger verheiratet war. Im August 2012 heiratete das Paar.

Bevor Lyubov, eine gläubige Frau, Engelbert kennenlernte, hatte sie Gott um eine neue Aufgabe gebeten. „Lieber Gott, vielleicht gibt es eine Frau, die mich braucht. Ich würde sie gerne pflegen. Ich möchte gebraucht werden. Für was lebe ich denn sonst.“ Gott erhörte ihre Bitte. „Er hat mir eine Frau geschickt, die mich braucht und einen Mann, der lieb und gut ist.“ Engelbert lebte mit seiner älteren Schwester Maria zusammen, die gehandicapt ist. Lyubov übernahm schnell die Rolle der Mutter. „Maria war wie ein Kind für mich. Sie hat gern mit Puppen gespielt. Ich habe ihr Spielzeug gekauft.“ Die 65-Jährige ist sich sicher: „Maria liebte mich. Sie hat mich oft abgebusselt.“

Dem Ehepaar Längle aus Dafins war es ein Herzensanliegen, zu helfen.
Dem Ehepaar Längle aus Dafins war es ein Herzensanliegen, zu helfen.

Vor zwei Monaten mussten sich die Längles von Maria trennen. „Nach einigen Operationen hatte sich Marias Gesundheitszustand verschlechtert. Wir mussten in der Nacht mehrmals aufstehen. Wir waren überfordert und sahen keine andere Möglichkeit mehr, als sie ins Pflegeheim zu geben.“ Inzwischen ist das Ehepaar aber beruhigt. Denn: „Maria ist im Heim glücklich und zufrieden. Wenn wir gehen, winkt sie uns freudig nach.“ Lyubovs Herz war wegen Maria in Aufruhr. Jetzt ist es der Krieg in ihrem Heimatland, der ihr Herz bluten und keine Ruhe in ihre Seele einkehren lässt.

Als sie die schrecklichen Bilder von den Kämpfen, Explosionen und Kriegsopfern im Fernsehen sah, musste sie heftig weinen. „Schatz, wir müssen helfen, Kinder retten und Flüchtlinge aufnehmen. Wir können sie in unserem alten Haus unterbringen“, wandte sie sich mit ihrem Herzensanliegen an ihren Mann Engelbert. Dieser willigte sofort ein. Lyubov rief umgehend ihre Freundin aus ihrer Heimatstadt Dnipro an. Diese erzählte ihr, dass ihre Tochter und ihre zwei Enkelkinder mit einem Zug unter Lebensgefahr nach Polen geflüchtet waren und dort mit einigen Freunden in einem kleinen Zimmer untergekommen waren.

“Das ganze Dorf half uns”

Lyubov setzte alle Hebel in Bewegung und schaffte es, diese zehnköpfige Flüchtlingsgruppe vor gut einer Woche nach Dafins zu bringen. „Ein paar Tage vorher bin ich in die Kirche gegangen und haben den Messebesuchern mitgeteilt, dass wir Flüchtlinge aufnehmen. Alle sagten: ,Wir helfen euch.‘“ Und dem war dann auch so. Die Hilfsbereitschaft überwältigte die Längles und die Kriegsvertriebenen. „Das ganze Dorf half uns. Wir haben Körbe voller Lebensmittel bekommen, Hygieneartikel, Wasserkocher, Bettwäsche, Geschirr, Kinderbetten, Waschmaschinen und Trockner.“

Olena (mit ihrer dreijährigen Tochter Alina) ist dankbar, dass sie die Flucht überlebte.
Olena (mit ihrer dreijährigen Tochter Alina) ist dankbar, dass sie die Flucht überlebte.

Olena (36), die Tochter von Lyubovs Freundin, ist gerührt. Mit so viel Entgegenkommen hatte die zweifache Mutter nicht gerechnet. Tränen der Dankbarkeit rollen über ihre Wangen. Nur knapp ist sie mit ihren Kindern der Kriegshölle in der Ukraine entronnen. Die 22-stündige Flucht mit dem überfüllten Zug nach Polen war eine Horrorfahrt. „Ich werde mich ein Leben lang daran erinnern.“ Olena, die wie alle Passagiere geduckt am Boden lag, hörte das Dröhnen der Bomber und den ohrenbetäubenden Lärm der Explosionen. Die Bombardierung durch Kampfflugzeuge versetzte sie in panische Angst. „Ich habe noch nie so viel gebetet.“ In ihrer Ohnmacht legte sie ihr Leben und das ihrer Kinder in die Hände Gottes. Olena bekreuzigt sich. „Gott hat uns gerettet“, sagt sie und wischt sich ihre tränennassen Augen mit einem Taschentuch ab.