Die Natur macht mich nicht schöner
Gestern hat mich in meinen frisch gesaugten Wohnzimmer, während ich gerade am Tisch an einem Text schrieb, eine Wespe in den Fuß gestochen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich den Schmerzblitz begriff, der von unten in meinen Organismus fuhr und die Verursacherin entdeckte. Dann Gefluche, Zwiebel, Salbe, Schwellung, das übliche Prozedere. Nichts passiert, zum Glück bin ich nicht allergisch.
Aber dafür schmecke ich offenbar besonders gut, ich weiß auch nicht. Aus den Poren meiner Haut scheint etwas zu entweichen, das allen Insekten im Umkreis von zweihundert Metern mit dem Geruchsmegafon signalisiert, dass das Buffet eröffnet ist.
„Unlängst fand ich heraus, dass die Insekten noch schlafen, wenn man sehr früh mit dem Hund geht, noch bevor die Sonne den Waldweg berührt.“
Unlängst fand ich heraus, dass die Insekten noch schlafen, wenn man sehr früh mit dem Hund geht, noch bevor die Sonne den Waldweg berührt. Am nächsten Morgen dachte ich, gut, dann brauche ich mich ja nicht mit dem stinkenden Insektenschutzmittel einsprayen, um dann herauszufinden, dass ich mich leider geirrt hatte. Ich absolvierte den Spaziergang mit hysterischem Gefuchtel mit der Schirmkappe, trotzdem bissen mich, bis ich wieder zu Hause war, elf Bremsen. Ich bin entstellt. Eigentlich verbringe ich den gesamten Sommer entstellt, bis Herbst kein Tag, an dem nicht an verschiedenen dafür nicht vorgesehenen Körperstellen rötliche Riesenbeulen aus mir herauswachsen, verursacht von Mücken, Kriebelmücken, Bremsen, Rossbremsen, Goldaugenbremsen und Wespen. Die Natur macht einen nicht zwingend schöner.
Mein Freund Krüger, nicht ganz so naturaffin, war da, geflüchtet aus der jetzt selbst ihm zu heißen Stadt. Als er ein paar süße, wilde Himbeeren aus meinem Gebüsch pflückte, stach ihn eine Wespe in den Handrücken. Das Prozedere aus Gefluche, Zwiebel, Salbe, Schwellung und glücklicherweise keine Allergie wurde ergänzt durch ein Gejammer, das mehr oder weniger zwei Tage hindurch anhielt. Der Krüger konnte nicht mehr Autofahren, nicht mehr Abwaschen, nicht mehr Spaziergehen. Rasenmähen, spinnst du?! Das ist doch lebensgefährlich! In der Früh stand Krüger mit roten Augen auf, weil er vor Schmerzen nicht schlafen hatte können, den Tag verbrachte er im Dusel starker Medikamente. Trotzdem musste selbst das Decken des Tisches wegen unmäßiger Schmerzen delegiert werden (an mich). Ich sagte: Krüger, mir macht das große Sorgen, sollen wir nicht doch einen Krankenwagen rufen? Wir fuhren dann ersatzweise zum See, in dem Krüger unter Gestöhne seinen geschundenen Körper kühlte. Wir trafen dort auf einen Nachbarn, der erzählte, er sei in der Früh bei der Gartenarbeit in ein Erdwespennest getreten und achtmal gestochen worden. Überraschenderweise ließ Krüger sein eigenes Leid unerwähnt. Mich beehrten inzwischen vier Bremsen, weil eh.
Doris Knecht
doris.knecht@vn.at
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
Kommentar