Klimawandel: Weißer Winter dürfte Schnee von gestern sein

Skifahren im Klimadilemma: Klimatologe Simon Tschannett über die Hintergründe der wärmsten Jännertage seit Messbeginn.
Schwarzach Nicht nur im Sommer 2022 wurden in Europa Hitzerekorde gebrochen, auch der Dezember endete, wie das neue Jahr startete: mit einer historischen Wärmewelle über Europa. Statt Winterwunderland, schneebedeckten Bergen und weißen Pisten ereilen uns dystopische anmutende Bilder von künstlich beschneiten Schneebändern inmitten grün-brauner Landschaft.


Temperaturrekorde
Seit Beginn der Messungen wurden um den Jahreswechsel noch nie so hohe Tageshöchsttemperaturen in Europa gemessen und dies in bisher nicht gekannten Dimensionen. So zeigte etwa in der Nacht zum Neujahr am Alpenostrand das Thermometer fast 20 Grad an. Auf der Alpennordseite in der Schweiz wurden am Neujahrstag zum ersten Mal im Jänner über 20 Grad gemessen. Auch im benachbarten Vaduz kletterten die Temperaturen am 1. Jänner auf bis zu 20 Grad, in Feldkirch waren es über 18, in Bludenz 17,6 und in Bregenz 17,3 Grad Celsius. War die erste Dezemberhälfte noch kälter als im langjährigen Durschnitt, wurden in Österreich seit 19. Dezember jeden Tag mehr als 10 Grad gemessen – deutlich zu milde.

Extreme nehmen zu
Wie historisch der Temperaturanstieg seither war, verdeutlicht ein Blick in das Klimamonitoring der GeoSpehre Austria (GSA) (früher Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, ZAMG), erklärt Klimatologe Simon Tschannett. „Hier wird das aktuelle Wetter in den Klimakontext eingebettet. Ein Vergleich der aktuellen Tagesmittelwerten mit dem Zeitraum 1961 bis 1990 zeigt eine starke Abweichung von über 9 Grad.“

Für diese Wärmewelle war eine Föhnlage verantwortlich. In einem breiten Warmsektor eines Atlantiktiefs wehte die warme Luftmasse von Südwesten aus dem Bereich Marokko/Libyen kommend in den Alpenraum bis nach Belarus. „Eine solche Wetterlage ist gar nicht so ungewöhnlich, nur wird das Temperaturniveau durch den Klimawandel immer höher.“
Keine lineare Entwicklung
Dabei dürfe allerdings nicht vergessen werden, dass die Erwärmung nicht linear erfolgt. „Es gibt auch Kaltluftausbrüche, wie zum Beispiel die Extremkälte mit minus 40 Grad in den USA Ende Dezember.“ Auch hierzulande seien schneereiche Phasen und verhältnismäßig kalte Monate möglich – allerdings immer seltener. Die mittlerweile in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Wärmextreme sind ein typisches Zeichen der Klimakrise. „Durch den Klimawandel nehmen die Extreme insgesamt zu“, warnt der Klimatologe.

Wintersport im Klimadilemma
Bilder mit weißen Kunstschneebändern auf grünen Wiesen werden in Zukunft wohl keine Seltenheit sein. Denn die Alpenregion zählt zu den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Regionen der Welt. In Vorarlberg und anderen Alpengebieten hat sich dadurch in den letzten Jahrzehnten ein Trend hin zu wärmeren Wintern mit weniger Schnee beobachten lassen. Dies hat unweigerlich auch Auswirkungen auf den Wintertourismus. „Natürlich muss überlegt werden, wie man mit dieser Situation aus Tourismussicht umgeht. Es bedeutet vielleicht, dass man in Zukunft im Winter eher Mountainbiken und Wandern statt Skifahren geht.“


Wichtig sei, dass diese Herausforderungen auch abseits des Tagesgeschehens gesellschaftlich diskutiert werden. „Möglich wäre etwa die Einrichtung eines Klimarates mit einem wissenschaftlichen Gremium, der die Landespolitik berät, oder eines Büro für Klimazukunftsfragen.“ Dazu bräuchte es den viel zitierten politischen Willen, dies und die Empfehlungen der Wissenschaft auch umzusetzen. „Heuer sieht man wohl zum ersten Mal so richtig, wie sich zu wenig Schnee auswirkt, anfühlt und dann aussieht“, gibt Tschannett zu bedenken. „Lange wurde der Wissenschaft nicht geglaubt.“