Die Hölle von Bachmut: Wie Svetlanas Bruder Alexej dort überlebt

Die vom Krieg nach Vorarlberg geflüchtete zweifache Mutter bangt täglich um das Leben ihres Bruders.
Schwarzach Svetlana Pylypeschenko (35) wirkt für den Moment entspannt. Sie hat soeben mit ihrem Bruder Alexej (27) telefoniert. Es geht ihm gut. Alexej ist nicht einfach irgendwo. Alexej ist in der Hölle von Bachmut, kämpft dort als Soldat gegen die wild angreifenden Russen, befindet sich jeden Tag in Lebensgefahr.

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Den Freund erschossen
„Unsere Familie telefoniert täglich mit ihm. Entweder meine Verwandten in Kiew oder ich. Wenn Alexej abnimmt, ist eigentlich schon egal, worüber wir reden. Wir wissen dann: Er lebt“. So beschreibt die in Wolfurt lebende Ukrainerin das tägliche Ritual. „Alexej spricht wenig, über das, was er Schreckliches erlebt. Er will uns nicht beunruhigen. Aber wir spüren alle: Es ist in Bachmut dramatisch“, sagt die 35-Jährige. Vor kurzem brach es aus dem Soldaten, der in der Hölle kämpft, jedoch heraus. „Alexej erzählte mir von einem Video, das ihnen die Russen zukommen ließen. Sie filmten dabei die Hinrichtung eines Freundes von ihm. Der wurde erschossen, obwohl er sich ergeben hatte und als Gefangener in der Gewalt der Russen war.“

Drei Gruppen
Svetlana starrt kurz ausdruckslos vor sich hin. Sie weiß: So etwas kann ihrem Bruder auch passieren. Doch daran will sie nicht zu viel denken. Alexej darf nur von einer sicheren Stelle aus telefonieren und nichts über die militärische Lage sagen. Trotzdem weiß die Schwester einiges über den täglichen Wahnsinn in der Hölle von Bachmut. „Sie sind in drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe ruht, eine andere kümmert sich um die Instandsetzung von Technik, Waffen und Geräten, die dritte kämpft an der Front.“

Alexej, der Infanterist, ist seit neun Jahren Berufssoldat. Er war im Verlauf dieses Krieges schon an mehreren Kriegsschauplätzen. Seit Neujahr kämpft er mit seiner Einheit in Bachmut.

Er hat sich verändert
Alexej habe sich verändert, sagt seine Schwester. „Er war früher lustig und unbeschwert. Doch der Krieg hat ihn geprägt. Jetzt ist er ernst, lacht nicht mehr. Ich kann bei Gesprächen mit ihm spüren, wie es ihm geht, was er alles erleben muss.“ Angst habe er keine mehr. „Das war noch am Anfang so. Mittlerweile hat ihn der Krieg völlig immun gemacht gegen solche Gefühle.“ Zum letzten Mal gesehen hat Svetlana ihren Bruder am 12. Februar des Vorjahres in jenem Kiewer Theater, wo sie als Visagistin arbeitete. Sie weiß das deswegen so genau, weil er noch während einer Aufführung den Befehl zum sofortigen Einrücken erhielt. Wohl weil man schon zu jenem Zeitpunkt, jederzeit mit einem russischen Angriff rechnete.

Alexejs Beitrag
Svetlanas Mann, ein Schauspieler, ist nicht im Krieg, erledigt aber kriegswichtige Aufgaben in der Heimat. Deswegen muss sie sich fast nur wegen Alexej sorgen. Seine Mission versteht sie. „Die Russen haben uns unser Land geraubt. Das müssen wir wieder zurückgewinnen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Alexej leistet dazu seinen Beitrag.“
Svetlana wird ihren Bruder am nächsten Tag wieder anrufen. Und dabei inständig hoffen, dass er wieder ans Telefon geht.