Achtung, aufgepasst: Am Wochenende wird uns eine Stunde geklaut

In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren wieder auf Sommerzeit gestellt.
Schwarzach, Alberschwende Wie die Zeit vergeht, am Wochenende wird an der Uhr gedreht. In der Nacht auf Sonntag (26. März) springen die Zeiger in Österreich und etwa 40 Prozent aller Länder weltweit wieder von 2 auf 3 Uhr. Das Wochenende ist damit um eine Stunde kürzer. Für Zugfahrer bedeutet das: Nachtreisezüge, die während der Zeitumstellung unterwegs sind, kommen bei der selben Reisezeit eine Stunde später an. Dasselbe gilt für die S-Bahnen, die im Nahverkehr unterwegs sind. Auf längere Sicht müssen Frühaufsteher morgens länger auf die Sonne warten, dafür ist es abends länger hell. Die Sommerzeit gilt bis 29. Oktober.

In Österreich wurde die Sommerzeit 1980 als Reaktion auf die Ölkrise eingeführt. Indem man die menschlichen Aktivitäten besser an das verfügbare Tageslicht anpasst, sollte Energie gespart werden. Das Argument dürfte mittlerweile widerlegt sein. „Das Gros der Studie sagt, dass der Effekt vernachlässigbar ist. Aus energetischer Sicht gibt es keinen Grund für die Zeitumstellung“, erläutert Wolfgang Seidl vom Vorarlberger Energieinstitut.
24 Prozent

Und sonst? Unter anderem hört und liest man immer wieder, dass die Zeitumstellung Auswirkungen auf die Unfallhäufigkeit hat. Martin Pfanner, Vorarlberger Landesleiter des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KfV), relativiert. Er hat für die VN die Zahlen der Jahre 2017, 2018, 2019 und 2021 verglichen. 2020 wurde Lockdown-bedingt ausgeschlossen. Sein Resümee: „Die Woche nach der Zeitumstellung in diesen vier Jahren zeigt zur Woche vor der Zeitumstellung eine Steigerung von 24 Prozent an Verunglückten. Allerdings entwickeln sich die Unfälle auf diesem Niveau weiter. Grund dafür ist weniger die Zeitumstellung als der Beginn der Motorrad-, Moped- und Radsaison, was einen generellen Anstieg der Unfälle zur Folge hat. Betrachtet man nur die Verkehrsteilnehmergruppe Pkw, verändert sich das Unfallbild nicht. Das heißt, aus der österreichischen Unfallstatistik kann kein erhöhtes Risiko im Straßenverkehr aufgrund der Zeitumstellung abgelesen werden“, führt Pfanner aus.

Der Experte mahnt in den ersten Tagen nach der Umstellung dennoch zu erhöhter Aufmerksamkeit. „Es wird in den Morgenstunden, zu Zeiten an denen Kinder in die Schule gehen und auch Berufstätige aufgrund der angenehmen Temperaturen vermehrt mit dem Fahrrad unterwegs sind, wieder erheblich dunkler sein. Deshalb ist insbesondere an diesen ersten Tagen nach der Zeitumstellung erhöhte Aufmerksamkeit bei der Teilnahme am Straßenverkehr sehr wichtig“, verdeutlicht er. Außerdem empfiehlt Pfanner, gut darauf zu achten, dass aufgrund von Gewohnheiten am Umstellungstag kein Schlafdefizit entsteht. “Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass der Biorhythmus einen Einfluss auf das Unfallrisiko hat.”

Oberärztin Tamara Hernler, Leiterin des Schlaflabors im LKH Hohenems (siehe Interview rechts) ergänzt: „Eine Stunde klingt immer so wenig, aber eine Stunde kann doch etwas ausmachen. Das bringt uns einfach aus dem Tritt, das bringt unseren Biorhythmus durcheinander.”
Die Schlafexpertin wäre deshalb unbedingt dafür, dass die Zeitumstellung wie von der EU-Kommission vorgeschlagen abgeschafft und die Winterzeit auch im Sommer gilt. „Die Winterzeit ist unsere reguläre Zeit. Viele Leute können im Sommer so schlecht schlafen, weil es so lange hell ist und sich dadurch die Produktion von Melatonin verzögert. Der Mensch sollte einfach einmal aufhören zu versuchen, die Natur zu überlisten. Wir bekommen immer irgendwo die Rückantwort. Ein Drittel unseres Lebens tun wir nichts anderes als schlafen. Im Schlaf regeneriert sich der Körper und das Immunsystem, wir verarbeiten die Eindrücke, die wir untertags haben in den REM-Schlafphasen“, unterstreicht Tamara Hernler.
„Eulen haben es besonders schwer“
Hohenems Dr. Tamara Hernler leitet das Schlaflabor im LKH Hohenems. Im VN-Interview spricht sie über die Auswirkungen der Zeitumstellung und wie man sie am besten meistert.
An manchen geht die Zeitumstellung offenbar spurlos vorbei, andere berichten von Symptomen, die einem Jetlag ähneln. Warum ist das so?
Hernler Wenn es ums Schlafen geht, muss man die zwei Chronotypen unterscheiden. Es gibt einmal die sogenannten Lerchen, die früh ins Bett gehen und früh aufstehen, und es gibt die Eulen, die spät ins Bett gehen und auch später aufstehen. Bei der Umstellung auf die Sommerzeit, wo einem im Prinzip eine Stunde geklaut wird, tun sich vor allem die Eulen schwer.
Sind ältere Menschen eher betroffen als junge oder ist das altersunabhängig?
Hernler Es ist so, dass Kinder bis zur Pubertät meistens Lerchen sind. Wenn sich in der Pubertät die Sexualhormone entwickeln, werden die meisten Teenager von der Lerche zur Eule und tun sich dann besonders schwer mit der Umstellung auf die Sommerzeit. Je älter wir werden, tendieren wir wieder dazu, eine Lerche zu werden.
Können durch die Umstellung auch Gesundheitsprobleme entstehen?
Hernler Ja. Dadurch, dass man in den Tagen nach der Zeitumstellung schlechter schläft, ist man depressiver, müder, abgeschlagen, gereizt, hat Konzentrationsschwierigkeiten. Es gibt gute Untersuchungen, die zeigen, dass es zum Beispiel in den ersten drei Tage nach der Zeitumstellung vermehrt zu Herzinfarkten kommt und dass die Suizidrate erhöht ist.
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