So viele Kandidaten haben heuer auf Anhieb die Matura geschafft

Andreas Kappaurer, pädagogischer Leiter der Bildungsdirektion Vorarlberg, zieht Bilanz über die Reifeprüfung.
Bregenz Die Matura ist nach wie vor ein bedeutendes Eingangstor in die Berufswelt. Die Reifeprüfung in jetziger Form bewährt sich. Externe Vorsitzende bei den mündlichen Prüfungen wären wieder gewünscht – einige der Ansichten von Andreas Kappaurer (62), dem pädagogischen Leiter der Bildungsdirektion, zur Matura 2023.
Welchen Stellenwert messen Sie der Matura in der heutigen Bildungslandschaft zu?
Der Stellenwert ist nach wie vor ein sehr hoher. Schon allein deswegen, weil eine abgeschlossene Matura für viele junge Menschen die Tür zu weiterer Bildung, zur angestrebten Berufsausbildung, aufstößt. Die Matura hat aber auch für die Schule eine große Bedeutung, erkennt man doch innerhalb weniger Wochen, welche Herausforderungen die SchülerInnen bewältigen können: kommissionelle Prüfungen in mindestens sechs unterschiedlichen Gegenständen, fertig werden mit der nervlichen Belastung, Aufbringung der Konzentration und des Durchhaltevermögens.
Wie zufrieden sind Sie mit dem diesjährigen Vorarlberger Ergebnis?
Nimmt man die Zahl der positiv absolvierten Reife-und Diplomprüfungen in allen Schularten her, so haben exakt 90 Prozent der KandidatInnen die Matura auf Anhieb geschafft. Dieser Anteil ist hoch und liegt nur knapp unter dem Anteil im vergangenen Jahr. 164 SchülerInnen von insgesamt 1.643 angetretenen KandidatInnen müssen im Herbst noch jene Prüfung(en) nachholen, die sie nicht bestanden haben. Die GymnasiastInnen haben sich in Deutsch etwas verschlechtert, die SchülerInnen von berufsbildenden höheren Schulen in Mathematik.

Vorarlberg hat gemessen an seiner Größe mehr Oberstufengymnasien und mehr Schüler mit migrantischem Hintergrund als andere Bundesländer. Sind das die Gründe, warum wir doch jedes Jahr leicht unter dem Bundesdurchschnitt liegen?
Es ist schon eine Erklärung für die Ergebnisse. Jede einzelne Schule ist selbstverständlich bestrebt, ihre SchülerInnen möglichst so auf die Prüfungen vorzubereiten, dass sie erfolgreich abschneiden. Das gelingt mal besser, mal nicht so gut. Da gibt es auch Unterschiede bei jedem Jahrgang und jeder Klasse – beim selben Engagement der Lehrpersonen.
Wie beurteilen Sie den Wert der vorwissenschaftlichen Arbeiten bzw. der Diplomarbeiten? Sehen Sie diese als Bereicherung der Reifeprüfung?
Die Herausforderung, sich über längere Zeit mit einer Forschungsfrage, einer Versuchsanordnung, einem selbst gewählten Thema zu beschäftigen, Literatur und Quellen zu finden und zu beurteilen, das Ergebnis zu präsentieren und sich den Fragen einer Kommission zu stellen, ist riesig. Und in Summe überaus wertvoll. Dabei lernen die SchülerInnen enorm. Die Freude bei der Abgabe sowie der Präsentation des eigenen Werkes ist stets groß.

Ist die Matura in dieser Form unter Einbeziehung der Jahresnote das ideale Format?
Durch die Einbeziehung der Jahresnote verliert die Matura ein bisschen etwas von ihrem Schrecken, da nicht die punktuelle Leistung alles entscheiden kann, sondern der Jahreserfolg mitberücksichtigt wird. Das hilft gerade SchülerInnen, die immer hervorragend mitgearbeitet haben und aus welchem Grund auch immer bei der Matura eine schlechtere Leistung abliefern.
Wo sehen Sie noch Reformbedarf bei der Reifeprüfung in der jetzigen Form?
Sehr viele Schulen wünschen sich die externen Vorsitze zurück. Diesem Wunsch kann ich mich voll und ganz anschließen. Jede Schulleitung, die an einer anderen Schule Prüfungsvorsitz macht, bringt Erfahrungen mit an die eigene Schule. Ein externer Vorsitz ist auch ein gutes Korrektiv in jeder Kommission und aus Erfahrung für die PrüfungskandidatInnen positiv.

Was ist Ihnen von Ihrer eigenen Erfahrung noch in Erinnerung?
Die mündliche Prüfung im Wahlfach! Da konnte ich aus dem Vollen schöpfen und vor der Prüfungskommission zeigen, was wir in diesem Fach gelernt haben. Das war bei mir die letzte Prüfung, und das Gefühl, damit das Kapitel Gymnasium abgeschlossen zu haben und den nächsten Abschnitt in Angriff nehmen zu können, war großartig.

Abseits der Matura. Wie zufrieden sind Sie als pädagogischer Leiter der Bildungsdirektion mit dem abgelaufenen Schuljahr?
Es überwiegen auf jeden Fall die positiven Seiten: endlich keine Corona-bedingten Einschränkungen mehr, endlich wieder Schultheater, Projektwochen, Präsentationen oder Wettbewerbe. Weitere positive Aspekte: die weitestgehend positive Aufnahme der neuen Lehrpläne in den Pflichtschulen, die Erarbeitung eines Konzeptes für Begabungs- und Begabtenförderung oder die vielen sehr anregenden Begegnungen und Gespräche mit Schulleitungen.
Zunehmend erschwerend war und ist für alle Verantwortlichen im Bereich Schule der Lehrpersonenmangel. Wenn man als Schule nicht genügend Lehrpersonen für die Abhaltung von Förderstunden, Supplierstunden, Freigegenständen hat, wenn alle am Standort bereits mehr als ausgelastet sind, dann schränkt das den gesamten Schulbetrieb enorm ein.