Von Übersterblichkeit keine Spur

Armin Fiedler zeigt sich über die Normalisierung nicht überrascht. Foto: Vorarlberg Live
Vorarlberg: Befürchtete Folgen der Corona-Pandemie sind bisher ausgeblieben.
SCHWARZACH In sozialen Medien wie Twitter trendet der Begriff „Übersterblichkeit“ nach wie vor. Aufgekommen ist er in der Corona-Pandemie. Dass er sich weiterhin hält, legt den Schluss nahe, dass das, was damit gemeint ist, noch immer angenommen wird: Es sterben mehr Menschen als es unter gewöhnlichen Umständen tun müssten.
In Österreich und Vorarlberg ist das jedoch nicht der Fall. Bundesweit gab es in den ersten 24 Kalenderwochen dieses Jahres 41.671 Sterbefälle. Das sind mehr als vor der Pandemie. Allerdings: Ein gewisser Zuwachs ist auf die Alterung der Gesellschaft zurückzuführen. Die 41.671 Fälle liegen nur geringfügig über einer Prognose aus dem Jahr 2019, als Corona noch nicht absehbar war. Damals ist mit 41.000 gerechnet worden, wie Statistik-Austria-Mitarbeiterin Julia Schuster berichtet. Die Überschreitung lässt sich wiederum mit der Grippewelle erklären, die Anfang Jänner noch wütete. Damals sind besonders viele Menschen gestorben. Seither ist das nicht mehr der Fall.

Auch in Vorarlberg: In der ersten Kalenderwoche 2023 sind hierzulande 86 Männer und Frauen aus dem Leben geschieden. In weiterer Folge wurden es tendenziell weniger. Im Mai und im Juni handelte es sich um rund 50 pro Woche. Alles in allem lag die Gesamtzahl bis Mitte Juni mit 1470 um rund drei Prozent über dem Durchschnitt vor Corona – was aber eben auch mit der Alterung zusammenhängt.
Befürchtungen waren groß
In der Pandemie waren die Befürchtungen groß gewesen, dass nicht nur Menschen an und mit Corona sterben würden. Das allein waren schon viele, hierzulande handelte es sich um insgesamt 692. Darüber hinaus, so eine Befürchtung, könnten sich ausbleibende Vorsorgeuntersuchungen und Operationen vor allem in Lockdowns verhängnisvoll auswirken. Bisher ist das jedoch nicht feststellbar.

„Das überrascht mich nicht“, sagt der Gesundheitsexperte Armin Fidler im Gespräch mit den VN: „Vorsorgeuntersuchungen sind leider Gottes ganz grundsätzlich wenig effektiv.“ Sie würden von Personen in Anspruch genommen werden, die ohnehin sehr gesundheitsbewusst leben würden: „Die Hochrisikobevölkerung ist genau die, die nicht daran teilnimmt.“ Also würden sich auch die Folgen in Grenzen halten, wenn es vorübergehend keine derartigen Untersuchungen gibt.
Und was Operationen betrifft, so ist es laut Fidler ausschließlich dann zu Verzögerungen von mehr als um ein, zwei Wochen gekommen, wenn es sich um Eingriffe gehandelt hat, die nicht dringend erforderlich waren: „Auf die Mortalität kann sich das daher nicht ausgewirkt haben.“

In den vergangenen dreieinhalb Jahren gab es in der Regel genau dann mehr Sterbefälle, wenn gerade sehr viele Corona-Infektionen bestätigt würden oder es eine außerordentliche Hitzeperiode oder eine Grippewelle gab. 2020/21 ist eine solche Welle ganz, 2021/22 beinahe ausgefallen. 2022/23, also im vergangenen Winter, gab es wieder eine schwere. „Die Grippe wird unterschätzt“, sagt Fidler. „Es handelt sich um eine schwere Erkrankung, die auch Jungen zusetzt und bei Menschen mit einer Vorerkrankung lebensgefährlich sein kann.“ Die staatliche Gesundheitsagentur AGES schätzt, dass 2022/23 bundesweit 4020 Sterbefälle im Zusammenhang mit einer Grippeerkrankung standen. Ähnlich viele waren es zuletzt 2017/18 gewesen. Für Vorarlberg liegen keine Angaben vor.