Als der russische General Suworow mit 15.000 Soldaten in Feldkirch Halt machte

Der russische General Alexander W. Suworow wollte vor über 200 Jahren mit 20.000 Soldaten mit einem dramatischen Gewaltmarsch über die Alpen die Schweiz von den Franzosen befreien – erfolglos. Am 12. Oktober 1799 übernachtete er auf dem Rückweg in die Heimat in Feldkirch.
Darum geht’s:
- Suworow führt 1799 20.000 Mann von Italien über die Schweizer Alpen.
- Nach Niederlage in der Schweiz zieht er mit seinem Heer über Vorarlberg nach Hause.
- In Russland und in der Schweiz ist er bei vielen Menschen im kollektiven Gedächtnis verankert.
Feldkirch Ende des 18. Jahrhunderts leitete die Französische Revolution eine Welle des politischen Umbruchs in Europa ein. Die Ideen der Aufklärung beeinflussten die öffentliche Debatte über Freiheit und Menschenrechte. Verschiedene politische Haltungen und Weltanschauungen prallten aufeinander.

Auch Vorarlberg wird dabei zum Kriegsschauplatz zwischen dem revolutionären Frankreich und den europäischen Monarchien. Am 12. März 1799 begann der zweite Koalitionskrieg, in dem sich Österreich mit England und Russland gegen das napoleonische Frankreich verbündet hatte. Der französische General Masséna rückt mit seiner dreifachen Übermacht nach Feldkirch vor. Er wird im März 1799 am Margarethen- und Veitskapf durch die 4000 Vorarlberger Landesverteidiger vernichtend geschlagen.

Im selben Jahr tauchten erstmals russische Heere in Europa auf. Der russische Zar befahl den siegreichen General von den Schlachtfeldern Italiens in die Schweiz, mit dem Ziel, dort die Franzosen zu besiegen: Alexander Wassiljewitsch Suworow (1730 bis 1800). Er galt als genialer Stratege des 18. Jahrhunderts, gewann wichtige Schlachten gegen Polen und die Türken. Gemeinsam mit seinem Heer schrieb er mit der Überquerung der Schweizer Alpen Geschichte.
Der Marsch General Suworows mit 20.000 Mann führte im September 1799 von Italien aus über den Gotthard, durch die Schöllenenschlucht, über den Chinzig-Pass, durchs Muotathal über den Pragel- und am Schluss über den verschneiten Panixerpass. Es war ein kräfteraubender Marsch, der drei Wochen dauerte: rund 280 Kilometer mit 6870 Metern bergauf und 6640 Metern bergab in klirrender Kälte und mit schwerem Gerät.

Bei den Kampfhandlungen in der Schweiz gab es auf beiden Seiten große Verluste. Verwundete Soldaten der russischen Armee blieben auf der Strecke zurück und erfroren in der eisigen Kälte. Auch wenn sich die Schweizer Bevölkerung Hilfe durch die russischen Truppen gegen die Franzosen erhoffte, litten die Menschen in den Bergtälern unter den vielen fremden Soldaten. Denn die wenigen Vorräte waren weg, noch bevor der Winter begann. Auch Heu und Getreide beschlagnahmten die Soldaten, das Vieh der Bauern verhungerte, Häuser wurden angezündet. Schließlich verloren die Russen im Oktober 1799 bei der Schlacht bei Zürich gegen die Franzosen. Die französische Herrschaft über das gesamte Gebiet der ehemaligen Eidgenossenschaft wurde dann im Juli 1800 durchgesetzt.
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Dem bis dahin als unbesiegbar geltenden General Suworow und seinen Soldaten blieb nur noch der Rückzug über Vorarlberg in die Heimat übrig. Mit noch etwa 15.000 Mann zog Suworow, bei dem Gewaltmarsch bereits 69 Jahre alt, über Chur und Luzisteig via Feldkirch und Lindau zurück in die Heimat. Die sieglosen Russen kamen von dem alpinen Feldzug ausgezehrt und entkräftet, ohne Kleidung und Vorräte nach Vorarlberg. Am 12. Oktober 1799 trafen sie in Feldkirch ein, wo man sie mit Bangen erwartete, wie Arnold Schimper in seinem 2022 bei der Rheticus-Gesellschaft erschienenen Band „Türen zur Vergangenheit“ schreibt. Die russischen Truppen lagerten in Altenstadt, Rankweil und Brederis und schonten dabei das Eigentum der Einheimischen nicht. Der Stadtmagistrat nahm alle diese Kriegsschäden in einem eigenen Protokoll als „Russische Erlittenheiten“ auf.

In Feldkirch-Stadt waren 51 Generäle und Stabsoffiziere, 213 Oberoffiziere sowie 413 niedere Chargen für die Bedienung und den Personenschutz einquartiert. Suworow wohnte in der heutigen Marktgasse 19 (Ronge-Haus) bei Frau Josepha von Bayer. Am 15. Oktober 1799 kam Suworow mit seinem Heer in Dornbirn an. Die 4000 Einwohner Dornbirns standen nun vor der unlösbaren Aufgabe, diese
Truppen unterzubringen und zu verpflegen. „Unglaublich ist es, in welch elendem Zustande der größte Teil des russischen Heers bei uns angelangt ist und auf welche Art es bereits durch drei Wochen gelebt hat. In zerlumpten Kleidern und oft ohne Schuhe schleppten sich die ausgehungerten Leute fort. Sie verschlangen in ihrem Heißhunger allerlei Feldfrüchte. Den Mais aßen sie ohne alle Zubereitung. Rüben, Kartoffeln, Kraut und anderes wurden ungewaschen, mitsamt der Erde und dem Kot, mit dem Fleisch in einem Kessel gesotten. Dieses Gemisch wurde mit heißer Begierde von ihnen verzehrt“, beobachtete der Arzt Josef Bitschnau.

Mythos Suworow
Der Feldzug des russischen Generals über die Schweizer Alpen hat einen Mythos geschaffen, der bis heute anhält. Anders als in Vorarlberg ist Suworow im kollektiven Gedächtnis der Schweizer fest verankert, zahlreiche Gedenktafeln und -figuren entlang seiner Marschroute zeugen davon. Beim Zaren war er aufgrund der Niederlage in der Schweiz in Ungnade gefallen.

Ein Jahr später starb er vereinsamt in der Nähe von Moskau. Heute noch wird er als einer der größten Helden der russischen Geschichte verehrt. In Feldkirch erinnert lediglich eine dezente Tafel an den Aufenthalt des russischen Generals in dieser einschneidenden Zeit.
Mehr zum Thema: „Türen zur Vergangenheit. Texte zur Geschichte der Region Feldkirch, Band 1“ von Arnold Schimper, Schriftenreihe der Rheticus-Gesellschaft 86, Feldkirch 2022.