„Mein Leben hat Sinn – ich werde gebraucht“

Andreas Müller (39) ist seit einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt.
Koblach Der 25. September 2017 war für Andreas Müller (heute 39) ein schicksalhafter Tag. An diesem Tag brach sich der zweifache Vater das Genick, was eine inkomplette Querschnittlähmung zur Folge hatte. „Ich bin von der Brust abwärts gelähmt.“ Mit ungerührter Miene erzählt der gelernte Installateur aus Koblach, wie es dazu kam: „Ich musste auf ein Hausdach steigen, um einen Deckel auf einem Rohr anzubringen. Ich stellte eine Leiter auf und kraxelte hoch. Plötzlich rutschte die Leiter weg. Ich versuchte noch, mich an der Dachrinne festzuhalten. Vergeblich.“

Die Steighilfe fiel um und riss ihn in die Tiefe. Andreas prallte auf dem Pflastersteinboden hart auf. Rasender Schmerz fuhr ihm in die Glieder. „Vor allem die Schulter tat mir furchtbar weh.“ Zum Hausbesitzer sagte er noch im Schock: „Jetzt musst du die Rettung rufen. Ich kann mich nicht mehr bewegen.“ Der herbeigerufene Notarzt veranlasste, dass man den schwerverletzten Mann mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus flog. Dort wurde Andreas sofort operiert. Nach dem Eingriff erhielt er die schreckliche Diagnose.

Anfangs quälten ihn düstere Gedanken. „Wäre ich doch gleich gestorben“, dachte er sich nicht nur einmal. Andreas wollte keine Last für sein Umfeld sein. „Meine Frau Sarah tat alles für mich, sie war nun auch meine Pflegerin. Aber darüber war ich unglücklich. Erst als wir in unsere behindertengerechte Wohnung zogen, änderte sich schlagartig alles zum Besseren. Jetzt war ich nicht mehr so abhängig von der Hilfe anderer Menschen.“ Auch der monatelange Reha-Aufenthalt trug dazu bei, dass Andreas sich als Rollstuhlfahrer besser zurechtfand und selbstständiger wurde. Die düsteren Gedanken verflogen glücklicherweise. Denn er merkte: „Mein Leben hat viel Sinn. Meine Familie und meine Firma brauchen mich. Es gibt für mich noch viel zu tun.“

Andreas möchte seine Kinder Emil (8) und Luis (6) großziehen und mit seiner Familie noch viele schöne Zeiten erleben. Auch sein Job trägt dazu bei, dass es ihm gut geht. Nach dem Unfall wechselte der Installateur ins Büro. Heute leitet er mit viel Engagement bei Brändle-Installationen den Kundendienst. „Ich arbeite allerdings nur mehr halbtags.“ Vor dem Unfall war sein Leben stressiger. Aber da hatte Andreas auch noch seine Landwirtschaft. „Wir hatten 16 Ziegen, zwei Schweine und einige Hühner.“ Sein Herz blutete, als er aufgrund seiner Behinderung die Landwirtschaft aufgeben musste. Doch er suchte sich ein neues Hobby. „Meine Frau und ich gehen miteinander fischen.“ Auch in seiner Werkstatt im Keller hält er sich öfters auf, häufig mit seinen Söhnen. Dann werden zusammen Vogelhäuser gebastelt oder Fahrräder geflickt. „Für andere da sein, ist schön“, findet der Vater, „wenn dich niemand braucht, bist du allein“.

Andreas ist dankbar, dass er den Unfall überlebt hat. Denn auch mit Handicap hat sein Leben Qualität. Trotzdem gibt es hin und wieder Momente, in denen der gelähmte Mann mit seinem Schicksal hadert. „Ganz aussöhnen werde ich mich wohl nie mit meinem Schicksal“, meint er ernst. Dann fügt er noch ironisch hinzu: „Wenn ich Gott und das Schicksal erwische, ziehe ich ihnen die Löffel lang.“
