Unfallopfer: „Ich schaue hin, nicht weg“

Vorarlberg / 27.11.2023 • 19:18 Uhr
Die Kepps sind eine sehr musikalische Familie. Auf der Weihnachtsfeier werden sie für die Menschen und mit ihnen singen.
Die Kepps sind eine sehr musikalische Familie. Auf der Weihnachtsfeier werden sie für die Menschen und mit ihnen singen.

Hinter Claudia liegen harte Jahre. Aber sie veranstaltet wieder eine Weihnachtsfeier für alleinstehende Menschen.

Lochau Die vergangenen paar Jahre waren für Claudia Kepp (57) alles andere als leicht. Die Lochauerin, die mit ihrer Familie im Jahr 2019 mit großem Erfolg in Bregenz ein Weihnachtsfest für alleinstehende Menschen auf die Beine stellte („Gemeinsam statt einsam“), verunglückte zwischen 2021 und 2023 dreimal schwer.

Der erste Unfall ereignete sich im Jänner 2021. „Ich blieb mit einem Schuh auf einem Treppenabsatz hängen. Daraufhin fiel ich einige Stufen hinunter.“ Das Resultat war eine tiefe Wunde am rechten Fuß. „Die Wunde entzündete sich und heilte ewig lang nicht zu. Ich musste monatelang alle paar Tage zum Hausarzt und ins Spital zur Wundversorgung.“ Noch heute schmerzt sie die Verletzung. „Es ist ein brennender Schmerz.“ Nach dem Unfall war sie zehn Monate lang im Krankenstand. „Der Unfall hat mein Lebenstempo gedrosselt und mich gelehrt, das Beste aus einer Situation zu machen“, sagt Kepp, die unter der Marke „Pfändergold“ seit vielen Jahren selbstgemachte kulinarische Kreationen in Feinkostqualität (Fruchtaufstriche, Chutneys, Senfsaucen, Pesto, Sirup) unter die Leute bringt.

Vier Finger gebrochen

Der zweite Unfall passierte im Oktober 2022 im Urlaub in der Stadt Finale Ligure in Italien. „Ich war mit dem Fahrrad unterwegs, hatte meine kleine Enkelin auf dem Kindersitz dabei. Plötzlich fuhr ein Auto aus einer Parklücke. Der Autofahrer hatte uns nicht gesehen. Ich bremste stark, wir stürzten vom Rad.“ Die Enkelin kam mit einem Schock davon. Claudia jedoch brach sich an der rechten Hand vier Finger. „Erst zu Hause in Vorarlberg kam man drauf, dass sie gebrochen sind.“ Die Folge war, „dass ich keine Gläser mehr halten konnte und ohne Hilfe nichts mehr abfüllen konnte“.

Der dritte Unfall ereignete sich im heurigen Jänner in Lochau. Und wieder verunglückte die Kleinunternehmerin mit dem Bike. „Auf dem Gepäckträger hatte ich einen Sack mit verschiedenen Materialien befestigt. Ich weiß bis heute nicht warum, aber der Sack geriet bei voller Fahrt zwischen die Speichen. „Ich stürzte mit voller Wucht. Mit dem Brustkorb knallte ich aufs Lenkrad des E-Bikes.“ Claudia wurde bei dem Unfall schwer verletzt, prellte sich das Brustbein und brach sich mehrere Rippen.

Und wieder war die 57-Jährige für eine Weile außer Gefecht gesetzt. „Zunächst frage ich mich, warum es immer mich erwischt. Aber dann wurde mir schnell klar: ,Frag’ nicht nach dem Warum, Claudia, sondern nach dem Wozu.‘“ Durch die Unfälle wurde sie auf sich selbst zurückgeworfen. „Jetzt hatte ich Zeit für mich.“ Die sechsfache Mutter kam zur Ruhe und lauschte auf ihre innere Stimme. „Diese sagte mir, dass es an der Zeit ist innezuhalten, Bestehendes loszulassen und weiterzugehen.“ Nun war ihr klar: „26 Jahre Pfändergold sind genug. Ich höre auf mit der Produktion, auch weil meine Hand lädiert ist. Jetzt kommt die Phase des Weitergebens des Wissens. Nun kannst du Kochkurse für Kinder und Jugendliche anbieten.“ Die ersten Kurse gab sie bereits im vergangenen Sommer. „Es macht mir viel Spaß, den jungen Menschen zu zeigen, was man aus Lebensmitteln Gutes machen kann“, sagt sie und ist erleichtert, dass sie nun definitiv weiß, in welche Richtung sie beruflich weitergehen soll.

Die Unfälle hat Claudia aber noch nicht zur Gänze verarbeitet. Nach dem Unfall im heurigen Jänner war sie lange schockiert. „Man ließ mich auf der Straße liegen. Erst als ich um Hilfe schrie, eilten ein paar Menschen, die an der Bushaltestelle warteten, zu mir.“ Claudia fragt sich: „Wo ist heute die Barmherzigkeit geblieben?“ Sie sei da ganz anders, sagt sie. „Ich schaue hin und nicht weg.“

„Jeder und jede ist willkommen“

Für die Lochauerin ist Solidarität nicht nur ein Schlagwort, sie lebt sie. Das zeigt sich auch darin, dass sie heuer erneut mit ihrer Familie am Heiligen Abend im Austriahaus in Bregenz eine Weihnachtsfeier für Menschen organisiert (Einlass ab 16.30 Uhr), die Weihnachten mit einer großen Familie feiern wollen. Jeder ist willkommen, egal ob Singles, Paare oder Familien. „Wir singen weihnachtliche Lieder und lesen eine Weihnachtsgeschichte, es gibt Kuchen und Kaffee und ein leckeres Menü. Der Eintritt ist frei, wer eine Spende geben will, kann das gerne tun. Das Geld kommt der Hilfsorganisation ,Stunde des Herzens‘ zugute.“

Im Jahr 2019 besuchten rund 100 Menschen die Weihnachtsfeier. „Der Älteste war 92 Jahre alt, die Jüngste eineinhalb Jahre.“ VN-kum

Drei Unfälle in drei Jahren – das stimmte Claudia Kepp nachdenklich. Hartinger
Drei Unfälle in drei Jahren – das stimmte Claudia Kepp nachdenklich. Hartinger

Claudia und ihr Team – „dazu zählen auch unsere großzügigen Sponsoren“ – freuen sich über jede Anmeldung (bis spätestens 22. Dezember), Tel. 0677/61384565.