Verurteilt, weil er armen Menschen geholfen hat

Vorarlberg / 08.01.2024 • 16:05 Uhr
Trotz Disziplinarverfahren und Bestrafung bleibt Anton Schäfer ein Anwalt für Arme. <em><span class="copyright">HRJ</span></em>
Trotz Disziplinarverfahren und Bestrafung bleibt Anton Schäfer ein Anwalt für Arme. HRJ

“Ich lasse mich von der Anwaltskammer nicht einschränken“: Anwalt Anton Schäfer wurde bestraft, weil er arme Menschen kostenlos vertreten hat.

BREGENZ, DORNBIRN Anton Schäfer ist ein Wiederholungstäter. Das gibt er bereitwillig zu. Und versucht dabei, todernst zu wirken, was ihm gründlich misslingt. Der 58-jährige Anwalt wurde vor drei Jahren vom Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer bestraft, weil er in Vorarlberg arme Menschen kostenlos vor Verwaltungsbehörden vertreten hat. Damals waren es 156 Fälle, inzwischen sind einige dazugekommen.

Der Vorwurf gegen Schäfer lautete: Er als in Liechtenstein zugelassener Anwalt habe durch sein Engagement in Vorarlberg eine „Berufspflichtverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes der Rechtsanwälte“ begangen. „Ja, ich bin ein Schlimmer, der bestraft gehört“, bekennt er und nickt bedeutsam. „Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder einfach gratis helfen würde?“

Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder einfach gratis helfen würde?

Wie er heute zu diesem Disziplinarverfahren steht und was der umtriebige Mann neben seiner beruflichen Tätigkeit noch so alles macht, erfahren wir an einem kalten, regnerischen Nachmittag in Bregenz, im Büro der Volkshilfe Vorarlberg, der er seit März 2023 vorsteht. Seine Frau Erika ist bei der Wohlfahrtsorganisation als Sachbearbeiterin beschäftigt. „Meine Frau organisiert alles“, erklärt Schäfer. „Ich darf aber auch ab und zu etwas sagen.“ Ja klar, klinkt sich Erika Schäfer ein. Jetzt, zum Beispiel, darf er über sein Leben reden, das am 31. August 1965 – ein Dienstag – begonnen hat.

Anton Schäfer wächst mit vier Geschwistern auf. Die Eltern besitzen ein Einfamilienhaus in Dornbirn. „Wir waren eine Beamtenfamilie, Typ Mittelstand“, schildert er. Sein Bildungsweg: Volksschule, Hauptschule, Lehre als Elektrotechniker. Danach übt er verschiedene Tätigkeiten aus, unter anderem im Amt der Stadt Dornbirn und bei mehreren Seilbahn-Unternehmen.

Ehrenamtlich engagiert

Fasziniert von der Rechtswissenschaft, entscheidet sich der junge Mann, die Studienberechtigungsprüfung abzulegen und beginnt 1995 an der Universität Innsbruck Jus zu studieren. 2002 promoviert er summa cum laude. Zwei Jahre später schließt er den Masterstudiengang in Europarecht ab. „Nachdem ich in Liechtenstein eine Konzipientenstelle bekommen habe, studierte ich an der dortigen Universität Gesellschaftsrecht“, erzählt er. Im Fürstentum betreibt er nun eine Anwaltskanzlei mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht, in Österreich ist er Gerichtssachverständiger.

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Zu all den anderen ehrenamtlichen Tätigkeiten hat Anton Schäfer auch noch den Vorsitz der Volkshilfe Vorarlberg übernommen. HRJ

Nebenher und ehrenamtlich legt sich Anton Schäfer als Rechtsberater für die Mitglieder des Pensionistenverbandes ins Zeug, engagiert sich beim Kolpingwerk, bei den Naturfreunden und bei der Plattform Armutsmigration. Auf die Frage, warum er auch noch den Vorsitz der Volkshilfe Vorarlberg übernommen hat, lacht Schäfer und antwortet: „Weil niemand anderer da war.“

Das ist noch nicht alles. Schäfer ist auch Obmann der proeuropäischen überparteilichen Bürgerinitiative Europa Union Vorarlberg, Autor von juristischen Fachpublikationen sowie Herausgeber der Zeitschrift Europastimme. Dieses parteipolitisch unabhängige Medium setzt sich kritisch mit der Entwicklung in Europa auseinander. Zu alldem gehört er dem Wikipedia-Verfasser-Team an.

Wie bewältigt man den fordernden Anwaltsberuf mit so vielen ehrenamtlichen Aktivitäten? „Das funktioniert nur, wenn man eine verständnisvolle Frau hat, die alles mitträgt“, stellt er klar und wirft seiner Frau einen liebevollen Blick zu. „Ohne Erikas Unterstützung könnte ich es nicht schaffen.“

Anton Schäfer lädt zum Gespräch ins Volkshilfe-Büro in der Anton-Schneiderstraße in Bregenz. <em><span class="copyright">HRJ</span></em>
Anton Schäfer lädt zum Gespräch ins Volkshilfe-Büro in der Anton-Schneiderstraße in Bregenz. HRJ

Die Beiden kennen sich seit der Jugend: „Wir sind miteinander in die Hauptschule gegangen. Ich war damals schon in sie verliebt“, verrät er. „Sie hat aber lange nicht kapiert, dass ich ihre beste Wahl bin.“ Darum sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen, bis Anton und Erika ein Paar geworden sind. „Geheiratet haben wir dann erst 1997.“ Zu diesem Zeitpunkt ist Sohn Emanuel bereits elf Jahre alt, Tochter Anika sechs. Und seit dreieinhalb Jahren ist Schäfer stolzer Opa eines Enkels, vor fünf Monaten kam eine Enkelin dazu. Kinder und Enkel kommen immer sonntags, „an unserem Familientag“, ins Haus der Schäfers in Dornbirn.

Wenn der viel beschäftigte Mann Abstand und Ruhe braucht, unternimmt er mit seiner Frau Wanderungen in den Bergen oder verreist mit ihr spontan. Irgendwohin. Wünsche, Herr Schäfer? Ja, einen: „Frieden auf der Welt. Und das meine ich auch so.“

Auf der richtigen Seite

Übrigens, das Disziplinarverfahren der Rechtsanwaltskammer hat ihm 1000 Euro Geldstrafe und Hunderte Euro Verfahrensausgaben gekostet. Trotzdem, versichert Anton Schäfer, werde er immer ein Anwalt auch für Arme sein: „Ich lasse mich von der Anwaltskammer nicht einschränken! Ich weiß, ich stehe auf der richtigen Seite.“