Land wirft Theaterverein raus: „Das war für uns alle ein tiefer Schock“

Vorarlberg / 19.01.2024 • 19:23 Uhr
Motif hat seit 14 Jahren in der Kirchstraße 16 sein Zuhause. Ende März muss der Verein raus aus dem Haus. <span class="copyright">VN/Paulitsch (6)</span>
Motif hat seit 14 Jahren in der Kirchstraße 16 sein Zuhause. Ende März muss der Verein raus aus dem Haus. VN/Paulitsch (6)

Kündigung wegen Sanierung und Eigenbedarf: Motif muss Proberäumlichkeiten in Bregenz bis Ende März räumen.

Bregenz Ist noch vor dem großen Jubiläum alles vorbei? Nächstes Jahr feiert das Theater Motif sein 20-jähriges Bestehen. Geprobt wird seit vielen Jahren in der Kirchstraße 16 in Bregenz. Doch damit ist bald Schluss. Der interkulturelle Verein muss bis Ende März raus aus dem Haus. Das wurde Yener Polat (60), dem künstlerischen Leiter und Obmann, in dieser Woche bei einem Termin im Landhaus mitgeteilt. Kündigung wegen Sanierung und Eigenbedarf. „Das war für uns alle ein tiefer Schock. Wir sind seit 14 Jahren hier“, sagt Yener Polat im Gespräch mit den VN. Der zuständige Abteilungsleiter beim Land verweist auf den schlechten Zustand des Gebäudes, außerdem könne die Kündigung nicht überraschend gekommen sein.

An der Wand im Probenraum hängen die Plakate aller bisherigen Theateraufführungen.
An der Wand im Probenraum hängen die Plakate aller bisherigen Theateraufführungen.

Der 60-Jährige hat Motif im Jahr 2005 mit dem Ziel gegründet, der neuen Heimat einerseits die türkische Kultur vorzustellen und diese andererseits an die nächste Generation der Einwanderer weiterzugeben. „Es gibt viele Gemeinsamkeiten, auch in der Geschichte der beiden Länder. Damit kann man viel Empathie aufbauen und Verbindung schaffen“, erläutert er. 2011 wurde der Verein dafür mit dem Österreichischen Integrationspreis und 2022 mit dem Outstanding Artist Award für Kulturinitiativen des Bundes ausgezeichnet. Gerade stecken die Mitglieder mitten in den Proben für das neue Stück, das anlässlich 60 Jahre Anwerbeabkommen Türkei-Österreich aufgeführt werden soll. Die Premiere ist Anfang Juni im Theater Kosmos geplant.

Yener Polat und Nurettin Kalfa fragen sich: Wie geht es weiter?
Yener Polat und Nurettin Kalfa fragen sich: Wie geht es weiter?

Das Land hat sich grundsätzlich an die Vereinbarungen im Mietübereinkommen gehalten. Darin ist unter anderem festgelegt, dass es eine zweimonatige Kündigungsfrist gibt und es keiner schriftlichen Kündigung bedarf. Bislang sei es Usus gewesen, dass jedes Jahr mit den beiden Abteilungen Integration und Kultur abgeklärt wurde, ob der Verein noch gefördert wird. Wenn das bejaht wurde, habe man den Mietvertrag weitergelaufen lassen, berichtet der Motif-Obmann. Jetzt muss er sich fragen: Wie geht es weiter? Findet der Verein so schnell eine neue Bleibe?

Yener Polat in der Requisitenkammer. Über die Jahre hat sich einiges angesammelt.
Yener Polat in der Requisitenkammer. Über die Jahre hat sich einiges angesammelt.

Mirjam Steinbock, Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg, der Interessengemeinschaft für autonome Kulturarbeit, ärgert sich: „Die Sanierung ist sicherlich eine gute Idee, dass jedoch angesichts dieser Kurzfristigkeit kein Ersatzlokal oder alternative Lösungsvorschläge angeboten werden, ist enttäuschend für ein Land, das sich der Kultur verpflichtet fühlt und gerade wieder seine neue Kulturstrategie veröffentlicht hat. Für uns in unserem ehrenamtlichen kulturellen Engagement stellt das in der Kurzfristigkeit ein nicht zu bewältigendes Hindernis dar.“

Mirjam Steinbock ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg.<span class="copyright"> IG Kultur</span>
Mirjam Steinbock ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg. IG Kultur
Yener Polat (r.) mit Schülerin Aylin und Trainer Nurettin Kalfa: „Nuri ist ein sehr wichtiges Vorbild“, sagt der Obmann.
Yener Polat (r.) mit Schülerin Aylin und Trainer Nurettin Kalfa: „Nuri ist ein sehr wichtiges Vorbild“, sagt der Obmann.

Karl Fenkart, Leiter der Abteilung Vermögensverwaltung des Landes, entgegnet: Man habe Herrn Polat bereits vor zwei Jahren mitgeteilt, dass der Vertrag ausnahmsweise noch einmal um ein Jahr verlängert werde. Auch wenn das Land keinen Eigenbedarf hätte, wäre eine Verlängerung kaum mehr möglich. „Es sind schon Stützen drinnen wegen der Statik. Es ist einfach ein baufälliges, desolates Gebäude“, führt er aus. Sobald der Verein das Gebäude geräumt habe, sei eine genaue Bestandsaufnahme geplant. Dann entscheide man, wie viel Geld investiert werde und was reinkomme. „Es gibt eine ganze Liste an Wünschen, die wir seitens der Gebäudemanagements erfüllen sollten“, ergänzt Fenkart. Eine Rückkehr des Vereins nach der Sanierung schließt er daher aus. Auch ein Ersatzlokal habe man Yener Polat mangels Alternativen nicht anbieten können. „Wenn wir was hätten, dann hätten wir viele andere Probleme nicht. Wir haben viele Gebäude, aber es sind leider alle voll“, hält der Leiter der Vermögensverwaltung fest.

Karl Fenkart, Leiter der Abteilung Vermögensverwaltung des Landes.
Karl Fenkart, Leiter der Abteilung Vermögensverwaltung des Landes.

In den Räumlichkeiten in der Kirchstraße proben aktuell zwei Jugendgruppen und zwei Erwachsenengruppen. Einer der Trainer ist Nurettin Kalfa (30). Der Hörbranzer hat bei Motif begonnen und später Schauspiel an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart studiert. „Gestern hatten wir noch Proben, wenn wir Ende März raus müssen, was machen wir dann?“, fragt er. Yener Polat ergänzt: „Wir wären sehr glücklich, wenn wir einen Raum bekommen würden, damit wir das weiterführen können. Das ist überlebenswichtig.“

Der Verein Motif wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Im Büro von Yener Polat hängt unter anderem ein Bild, das ihn mit Landeshauptmann Markus Wallner zeigt.
Der Verein Motif wurde schon mehrfach ausgezeichnet. Im Büro von Yener Polat hängt unter anderem ein Bild, das ihn mit Landeshauptmann Markus Wallner zeigt.