Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Links ist nicht das Problem

Vorarlberg / 16.02.2024 • 17:18 Uhr

Schon klar, mehr als ein halbes Jahr vor einer Nationalratswahl bringen Meinungsumfragen nicht zum Ausdruck, wie sie ausgehen wird. Es handelt sich lediglich um Stimmungsskizzen. Sie aber haben sich so sehr verfestigt, dass man Folgendes sagen kann: Die FPÖ von Herbert Kickl hat beste Chancen, im September auf Platz eins zu landen. Und die SPÖ hat mit Andreas Babler bisher nicht groß zugelegt; die Ampel mit Neos und Grünen, die er bilden möchte, wirkt unrealistisch.

Vor diesem Hintergrund werden mehr und mehr führende Genossinnen und Genossen nervös. Es handelt sich um Pragmatiker der Macht, denen es letzten Endes darum geht, wieder in die Regierung zu kommen. Die sich daher gerne auch kompromissbereit zeigen und mit der Kompromisslosigkeit von Andreas Babler zunehmend hadern. Wie der Spitzengewerkschafter Josef Muchitsch, der diese Woche via „Kleine Zeitung“ eine Kurskorrektur forderte. Zur Mitte! Inklusive Aufweichung von Forderungen wie jener, eine Vermögenssteuer einzuführen. „Der Andi darf nicht als Schreckgespenst der Wirtschaft dastehen“, so Muchitsch, der – wie die Landeshauptleute Peter Kaiser (Kärnten) und Michael Ludwig (Wien) – gerne das hätte, was man einst als „Große Koalition“ bezeichnet hat.

„Der Haken für Babler ist, dass er bei der Bevölkerungsgruppe, die er umwirbt, nicht durchkommt.“

Andreas Babler selbst zeigt sich unbeeindruckt. „In der Partei muss man sich erst gewöhnen, dass jemand Neues an der Spitze steht, der angetreten ist, um ein klares Profil vorzugeben“, sagt er. Seiner Politik will er treu bleiben. Obwohl fraglich ist, ob das noch gutgehen kann.

Der Haken ist nicht, dass die SPÖ mit Babler weit nach links gerückt ist: Verkürzung der Arbeitszeit oder Einführung einer Vermögenssteuer könnten grundsätzlich sogar mehrheitsfähig sein in der Wählerschaft. Im Übrigen tragen solche Positionierungen dazu bei, dass es einen Wettbewerb der Ideen mit unterscheidbaren Angeboten gibt auf politischer Ebene. Ja, so gesehen ist das Ganze zum Beispiel auch gut für die ÖVP, weil es ihr hilft, einen eindeutig anderen Standpunkt zu bewerben, was wiederum auch gut für die Wähler ist: Sie haben eine Auswahl. Entscheidend ist, wie sehr Parteien nach einer Wahl bereit sind, aufeinander zuzugehen. Darauf wird es im Falle des Falles ankommen.

Der Haken für Babler ist, dass er bei der Bevölkerungsgruppe, die er umwirbt, nicht durchkommt. Die Rede ist von Männern und Frauen, die in Fabriken oder auch kleineren Betrieben arbeiten, unterdurchschnittlich verdienen und daher besonders zu kämpfen haben aufgrund der Teuerung. Viele von ihnen dürften längst bei Kickl gelandet sein oder mit Politik insgesamt abgeschlossen haben. Es ist jedenfalls wenig zu holen für Babler. Das ist sein Dilemma.

Wenn er Verbesserungen für diese Gruppe erreichen möchte, müsste er um die Unterstützung von Menschen ringen, denen es besser geht und die hier ebenfalls Handlungsbedarf in seinem Sinne sehen. Insofern müsste er seine Politik neu ausrichten. Doch dazu ist er offenbar nicht bereit. Womit sich auch der Hinweis darauf erübrigt, dass er ein bisschen pragmatisch werden und Genossen wie Muchitsch zu seinen Partnern machen könnte: Er hat schon zu viele in den eigenen Reihen, die an ihm zweifeln. Da baucht er zusätzlich zu Hans Peter Doskozil nicht auch noch offene Gegner.

Johannes Huber

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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.