Doris Knecht

Kommentar

Doris Knecht

Futter für die Seele

Vorarlberg / 04.03.2024 • 11:00 Uhr

Die schockierenden, bedrückenden und beängstigenden Nachrichten der letzten Wochen und Monate schlagen auf die Seele. Wie geht das alles weiter, was wird aus der Welt? Es ist derzeit mitunter harte Arbeit, die Hoffnung nicht zu verlieren.

Ein Rezept dafür gibt es nicht, beziehungsweise: Jede und jeder hat ein eigenes, das funktioniert. Bei mir ist es: Ordnung machen in meiner kleinen Welt, im Wald spazieren gehen, in der Erde graben, säen und pflanzen, lieb zu den Kindern sein, engen Kontakt zu meiner Familie halten, meine Freundschaften pflegen, so gut es geht. Gestern Abend habe ich zum Beispiel das Telefon abgehoben, als mein ältester Freund aus dem Ländle angerufen hat, das ist nicht selbstverständlich, weil ich Telefonieren an und für sich gar nicht mag. Aber dann haben wir eine halbe Stunde lang so schön geredet, ich habs nicht bereut, dass ich abgehoben habe, weil ich jetzt weiß, dass es ihm gut geht und was er so macht, und er weiß, dass es mir gut geht, bis auf ein paar lästige Kleinigkeiten, die so im Alltag auftauchen und wenn man älter wird.

Der Toaster kann nichts anderes, als die zwei fix montierten Grillscheiben heiß werden lassen.

Wo war ich? Genau, bei den Rezepten, wie man als Individuum Freude findet trotz der Nachrichtenlage. Und „Rezept“ ist da bei mir auch buchstäblich gemeint, weil gutes Essen ja auch gut für die Seele ist, im Englischen gibt es sogar ein Wort dafür: Soul Food, übersetzt in etwa: Futter für Seele. Ich habe einige Seelenmahlzeiten, die bei mir für sofortiges Wohlfühlen sorgen: die Gerstensuppe meiner Mutter, Lasagne mit meinen Kindern, das sämige Sauerkraut mit Erdäpfelknödeln am schön gedeckten Tisch meines Nachbarn.
Wenn meine Seele ganz schnell wärmendes Futter braucht, habe ich ein einfaches Rezept, dessen Zutaten ich immer im Kühlschrank habe: Käsetoast. Als die Kinder ausgezogen sind, bekamen sie den großen alten Klapptoaster, und ich kaufte mir bei einem Diskonter einen ganz billigen kleinen, fünfzehn Euro hat er, glaub ich, gekostet, er hat die Größe von zwei Toastscheiben nebeneinander und absolut low-end. Er hat keinen einzigen Schalter, nicht Ein-Aus, keinen Hitzeregulierer: Der Toaster kann nichts anderes, als die zwei fix montierten Grillscheiben heiß werden lassen, wenn man den Stecker einsteckt. Geht das grüne Lämpchen an, ist er bereit für mein schnelles Lieblingsessen: Käsescheiben zwischen zwei leicht gebutterten Toastbrotscheiben, oben und unten vor dem Grillen mit etwas Mayonaise bestrichen. Wenn der Käse schön aus dem knusprigen Brot herausquillt, ziehe ich den Stecker wieder, schneide den Toast in zwei Dreiecke, mit rotweißer Garnitur. Und dann ist die Welt, meine kleine Welt, für ein paar Minuten komplett im Lot.

Doris Knecht

doris.knecht@vn.at

Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.