Monika Helfer

Kommentar

Monika Helfer

Schein

Vorarlberg / 05.03.2024 • 09:30 Uhr

„So lange ich für dich nicht alles bin, bist du für mich nichts.“
„Was soll das heißen“, sagte der Rechtsanwalt, der gewohnt war, zu lügen.
„Wir sind hier im Leben, Edgar, du bist nicht Tarzan, und ich bin nicht Jane.“
Er wusste es, sie wusste es. Sie machten sich etwas vor. So gern wären sie ein echtes Liebespaar gewesen. Aber sie waren es nicht. Er war verheiratet, sie wäre es gern gewesen. Sie war nur seine Sekretärin.

Seine Gewohnheit war, immer wieder, wenn sie zusammen waren, seine Frau anzurufen.

Eine Affäre war es auch nicht. Es war ja noch gar nichts gewesen. Ein Beginn. Nur Versprechungen. Ein Flirt. Sie müsste nur ihren Weekender packen und in sein Auto steigen. Einen Kleinwagen. Erst würde er für diesen Spaß eine Limousine mieten wollen, aber sie wäre dann doch zu kostspielig. Spiel war es keines. Außer ihrem Körper interessierte ihn noch ihr Humor. Ihre Phantasie. Sie konnte ihn von null auf hundert in einen anderen verwandeln. Er spürte, dass sie noch nicht zu allem bereit war. Leider. Sie hätte etwas Ernstes gewollt. Irgendwie hatte sie Angst, dass er seine Gewohnheiten nicht aufgeben würde, vor allen Dingen, weil es Kinder gab. Er hatte zwei, den Bub und den Säugling. Seine Gewohnheit war, immer wieder, wenn sie zusammen waren, seine Frau anzurufen.

Also was? Sich abseilen, so tun, als wäre nichts gewesen? Einen kleinen Ausflug mit dem Kleinwagen, Zungenküsse. Sie wollten beide nicht, dass es schäbig wird und noch schäbiger endet. In der Welt passiert so viel Scheiße. Bei ihnen nicht, weil noch nichts passiert war, nicht geschossen worden ist, niemand verhaftet wurde.

„Komm zurück zu mir“, sagte seine Frau. Simon hatte seinen fünften Geburtstag. „Du wolltest ihm doch einen Kran schenken. Ich hab ihn vorsorglich gekauft. Das Geld musst du mir zurückgeben, sonst stimmt meine Haushaltskasse nicht. Ich backe einen Marmorkuchen, mehr Weiß als Schokolade. Wenn du so lieb wärst, und noch für das Sugo Hackfleisch mitbringst. Tomaten nehme ich aus der Dose. Wo setzt du deine Sekretärin ab? Sie ist hübsch, ich hab sie auf der Post getroffen. Ein paar Jahre jünger als ich, aber ich weiß, sie ist nicht dein Typ. Du bist nie auf Blonde abgefahren. Aber was, wenn die Haare nur gefärbt sind und in Wirklichkeit ist sie eine Dunkle. Muss ich Angst haben? Wir haben den Bub und das Baby, schau dir das Foto an, es klebt an der Scheibe. Also beeil Dich! Simons Freude haben ihre Schuhe schon auf den Abstreifer gestellt. Drei Buben, ein Mädchen. So süß! Sie sitzen im Wohnzimmer und trinken Limonade. Vielleicht will deine Sekretärin ja auch ein Stück Kuchen. Bring sie mit! Dann kann sie sehen, wie wir es gemütlich haben. Meines Wissens ist sie eine Single, die Arme, in ihrem Alter.“

„Mama“, ruft Simon, „die Limonade ist umgekippt, alles auf deinen heiligen Teppich. Yvonne wollte es nicht. Sie weint, bitte schimpf nicht! Sie sagt, ihre Mama würde zum Putzen Glasreiniger nehmen. Haben wir das?“

Monika Helfer

monika.helfer@vn.at

Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.