Kein Bürgerschreck
Allein schon, dass ein Kommunist in der Stadt Salzburg als Bürgermeisterkandidat in die Stichwahl kam, war schon Überraschung genug.
Abgezeichnet hatte sich das allerdings bereits im Vorjahr bei der Landtagswahl, als die KPÖ+ mehr oder weniger aus dem Stand heraus zweitstärkste Partei wurde. Erstaunlich ist aber, dass ihr Spitzenkandidat Kay-Michael Dankl gegenüber dem ersten Wahlgang noch fast zehn Prozent zulegen konnte. Interessant ist die Wählerstromanalyse, wie stark aus dem Nichtwählerreservoir mobilisiert werden konnte und wieviel Anhänger der nicht an der Stichwahl beteiligten Parteien zuhause geblieben sind.
KPÖ hat sich als linke Protestpartei etabliert.
Angesichts einer Wahlbeteiligung von lediglich 47 Prozent (im ersten Wahlgang noch 54) kann man davon ausgehen, dass ein großer Teil der Nichtwähler jedenfalls nichts dagegen hatte, dass unter Umständen ein Kandidat der KPÖ+ Salzburger Bürgermeister wird – sonst wären sie ja zur Wahlgegangen und hätten sicherheitshalber den SPÖ-Kandidaten gewählt. Zu dieser Stimmung hat beigetragen, dass Dankl für bürgerliche Wähler wesentlich sanfter auftritt als der polternde SPÖ-Vorsitzende Babler. Er hat natürlich ebenso wie seine Grazer Kollegin beim Hauptthema Wohnen klare linke Konturen, aber beide taugen eigentlich nicht (noch nicht?) als Bürgerschreck. In Graz gibt es zwar für das Bürgermeisteramt keine Direktwahl, aber man kann getrost davon ausgehen, dass die in einer Koalition mit SPÖ und Grünen regierende Elke Kahr eine Direktwahl gewinnen würde.
Auch wenn für die Nationalratswahl bei den Kommunisten bisher keine ähnlich zugkräftigen Kandidaten wie in Graz und Salzburg in Sicht sind, werden angesichts des möglichen Antretens einer weiteren eher links-altnerativen Protestpartei (Dominik Wlazny mit seiner Bierpartei) die Köpfe der roten Wahlkampfstrategen heftig rauchen. Denn bei der neben der Bürgermeisterwahl durchgeführten Salzburger Gemeinderatswahl lag die KPÖ+ nur knapp hinter der SPÖ und hat sich als linke Protestpartei etabliert. Spannend wird sein, ob ideologiefreie Protestwähler in größerer Zahl von rechts nach links umschwenken und auf diese Weise den Vormarsch der FPÖ einbremsen. Wie die Karten für die Nationalratswahl gemischt sind, wird man nach der EU-Wahl am 9. Juni mehr wissen. Jedenfalls kann man davon ausgehen, dass bei der zu erwartenden neuen Parteienvielfalt die Regierungsbildung sehr schwierig werden wird – einerseits rein rechnerisch und andererseits auch hinsichtlich der Frage, ob sich die anderen Parteien inhaltlich darauf verständigen, wie gegen die FPÖ als womöglich stärkster und auf Kickl beharrenden Partei eine Regierung gebildet werden kann.
Jürgen Weiss
juergen.weiss@vn.at
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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