Über ein Dorf, das vergessen werden will

Vorarlberg / 07.04.2024 • 12:55 Uhr
Mit großer Leidenschaft stellte Johanna Sebauer dem Publikum den irrwitzigen Plan ihrer Protagonisten vor. - Lesung Johanna Sebauer Stadtbibliothek
Mit großer Leidenschaft stellte Johanna Sebauer dem Publikum den irrwitzigen Plan ihrer Protagonisten vor. Laurence Feider

Johanna Sebauer las in der Stadtbibliothek aus ihrem Roman “Nincshof”.

Dornbirn Den weiten Weg aus Hamburg hatte Johanna Sebauer auf sich genommen, um in der Stadtbibliothek aus ihrem Erstlingswerk zu lesen. “Ich war zwar schon ein paar Mal in Vorarlberg, aber noch nie in Dornbirn. Ich freue mich immer, wenn ich ins Ländle komme, das fühlt sich gleich ein bisschen wie Urlaub an”, meinte die gebürtige Wienerin, die seit ein paar Jahren in der deutschen Hansestadt lebt und in der Wissenschaftskommunikation arbeitet. Aufgewachsen ist Johanna Sebauer in einem kleinen burgenländischen Dorf nahe der ungarischen Grenze und dies bildet auch den Schauplatz ihres ersten Romans. Also nicht direkt ihr Heimatdorf, sondern “Nincshof”, ein fiktiver Ort unweit des Neusiedler Sees.

Gebannt lauschten die Gäste der ungewöhnlichen Geschichte von Johanna Sebauer. - Lesung Johanna Sebauer Stadtbibliothek
Gebannt lauschten die Gäste der ungewöhnlichen Geschichte von Johanna Sebauer.

Nächtliche Abenteuer

Nincshof soll einst ein Pfahldorf in den Sumpfgebieten des Neusiedler Sees gewesen sein. Bewohnt wurde es von verschrobenen Aalfischern, die bei jeder Heirat den Namen ihrer Angetrauten annahmen. Heute ist Nincshof das Zuhause von Erna Rohdiebl, die seit 80 Jahren – nämlich ihr ganzes Leben lang – hier lebt. Eines warmen Junitags beschließt die betagte Dame nächtens in den Pool ihrer Bekannten Fetzi Erlanger einzusteigen und dort ungestört ihre Bahnen zu ziehen. Da die Erlangers auf Urlaub sind, wiederholt sie das in den kommenden Tagen. Mit diesem kleinen Abenteuer von Erna Rohdiebl beginnt Johanna Sebauers Geschichte.

Barbara Sohm (Buchhandlung Rapunzel) hatte einen Buchtisch aufgebaut – die Bücher konnte man von Johanna Sebauer signieren lassen. - Lesung Johanna Sebauer Stadtbibliothek
Barbara Sohm (Buchhandlung Rapunzel) hatte einen Buchtisch aufgebaut – die Bücher konnte man von Johanna Sebauer signieren lassen.

Dorf zum Vergessen

Genauso heimlich wie Erna Rohdiebls nächtliche Schwimmausflüge sind die nächtlichen Treffen dreier Männer am anderen Ende des Dorfes. Sie nennen sich “Oblivisten” (die, die vergessen werden wollen) und haben ein ungewöhnliches Vorhaben. Sie wollen, dass ihr Dorf in der Vergessenheit versinkt, denn, wenn niemand mehr von ihnen weiß, können sie in Freiheit und Ruhe leben, hoffen sie. So soll es nämlich der Legende nach in Nincshof schon einmal gewesen sein. Und beim Planen ihres Verschwindens sind ihnen Erna Rohdiebls nächtliche Abenteuer sowie die neuzugezogene Familie – die “Neuen aus der Stadt” – ein Dorn im Auge. In Erna Rohdiebl finden die Oblivisten aber schnell eine begeisterte Mitstreiterin und schon bald wird der Küchentisch der alten Dame zur Kommandozentrale der Mission Vergessen.

Bibliotheksmitarbeiter Peter Ladstätter stellte dem Publikum die Autorin Johanna Sebauer vor. - Lesung Johanna Sebauer Stadtbibliothek
Bibliotheksmitarbeiter Peter Ladstätter stellte dem Publikum die Autorin Johanna Sebauer vor.

Alles möglich

Johanna Sebauer gab bei ihrem Besuch in der Stadtbibliothek Kostproben ihres Romans, ob aber der irrwitzige Plan der Oblivisten am Ende aufgeht, verriet sie nicht. Gerne stellte sie sich dafür im Anschluss an die Lesung den Fragen des Publikums und verriet zum Beispiel, dass sie fast vier Jahre an “Nincshof” geschrieben hat. “Der Ausgangspunkt für das Buch war eine Kurzgeschichte über die Erna Rohdiebl. Dann war da die Idee, dass im Burgenland, wo es ja meistens ruhig ist, eine große Bewegung entsteht, eine Art Freiheitsbewegung. Die Figuren waren zuerst da, und dann ist eines aufs andere gefolgt”, so Johanna Sebauer. Ob sie bereits an einem Folgeroman arbeite, wollten auch einige der Besucher wissen. “Es ist etwas Neues am Entstehen, mehr kann ich noch nicht sagen.” lcf

Johanna Sebauer hat einen amüsanten Roman darüber geschrieben, welche Freiheit im Nicht-bemerkt-Werden liegt. - © Laurence Feider
Johanna Sebauer hat einen amüsanten Roman darüber geschrieben, welche Freiheit im Nicht-bemerkt-Werden liegt.