Dramatische Personalsituation ruft Politik auf den Plan

Personalnot in der Behindertenbetreuung schlägt Wellen: Bündel an Maßnahmen soll Situation verbessern.
Götzis, Bregenz Angehörige und leitende Mitarbeiter der Lebenshilfe haben Anfang Woche Alarm geschlagen. Die Personalsituation in der Behindertenbetreuung ist aus dem Ruder gelaufen. An allen Ecken und Enden fehlen qualifizierte Mitarbeiter. “Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern schon deutlich später”, sagt Andreas Dipold. Der Geschäftsbereichsleiter Wohndienstleistungen der Lebenshilfe beschreibt die Entwicklung als “dramatisch” und “nie dagewesen”. Die VN berichteten. Der Hilferuf schlägt Wellen. Die Neos haben eine parlamentarische Anfrage eingebracht. Dass Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörige unter Versorgungslücken zu leiden hätten, dürfe nicht sein. Die Landesregierung verweist indes auf intensive Bemühungen und ein Bündel an Maßnahmen, die für Entspannung sorgen sollen.

Dass es im Gesundheits- und Sozialbereich in vielen Bereichen an Personal mangelt, ist allgemein bekannt. Das Ausmaß der Personalnot in der Behindertenbetreuung rüttelt jetzt aber viele wach. Wohnhäuser der Lebenshilfe müssen schließen, das Betreuungsangebot gekürzt werden, Wartelisten werden länger und länger: Mit Louisa hat der Personalmangel ein Gesicht bekommen. Seit 2019 lebt die 23-Jährige im Wohnhaus Götzis, besucht die Werkstätte. “Ein klein bisschen ein normales Leben, mit einem Job, anderen Menschen und einem Feierabend”, beschreibt Martina Weber. Seit gut drei Wochen kann Louisa dort nicht mehr hin, weil Personal fehlt. “Dabei würde sie das so dringend brauchen”, so ihre besorgte Mutter.

Der Personalmangel hat alle Bereiche erreicht, trifft Lebenshilfe-Werkstätten wie auch die stationären Strukturen. In den Wohneinrichtungen klafft eine riesige Lücke. 20 bis 25 Mitarbeiter in Vollzeit wären erforderlich, um den aktuellen Betreuungsrahmen abdecken zu können, sagt Andreas Dipold. Es habe zwar beim Personal nie “goldene Zeiten” gegeben, mit der Pandemie habe sich die Situation aber dramatisch zugespitzt. Mitarbeiter hätten gekündigt, wechselten in andere Jobs oder würden verstärkt in Teilzeit arbeiten, beschreibt der leitende Lebenshilfe-Mitarbeiter. Bemühungen, Personal anzuwerben, habe bisher nicht den gewünschten Erfolg gehabt.

In der Politik läuten längst die Alarmglocken. Das Problem sei bekannt, Maßnahmen ergriffen worden, sagt die zuständige Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP/51). Auch dürfte die demografische Entwicklung für eine weitere Zuspitzung der Lage sorgen. “In Vorarlberg öffnen wir daher alle Wege in die Pflege- und Sozialberufe, um den steigenden Personalbedarf abzudecken.” Unterstützt würden auch die Möglichkeiten zur Anwerbung und Anstellung von Fachkräften aus dem Ausland. Die Bündelung der Nostrifikationen im Amt der Landesregierung sei eine der Maßnahmen. Es soll damit sichergestellt werden, dass qualifizierte Fachkräfte möglichst rasch integriert werden. Insgesamt sieht Rüscher in der Anwerbung aber nur einen Baustein, viele andere seien genauso wichtig.
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Das Land arbeite eng mit der Lebenshilfe zusammen. Gemeinsam würde man versuchen, die Organisation so weiterzuentwickeln, damit jene, die am dringendsten Betreuung bräuchten, auch Unterstützung erhalten. Dort, wo eine vollstationäre Betreuung nicht möglich sei, würden Alternativen angeboten. “Es gibt keine Person im Land, die nicht versorgt wird. Aber es gibt natürlich Beispiele, bei denen sich Angehörige mehr wünschen würden”, so Landesrätin Rüscher. Die Personalsituation ist längst Causa prima. Es geht auch ums Geld. Verhandlungen über neue Tarife seien weit fortgeschritten. Und es scheint Licht am Ende des Tunnels zu geben. Zumindest sind die entsprechenden Ausbildungsstätten im Land gut ausgelastet.

Die Opposition drängt unterdessen auf Antworten, wie es etwa bei den Wohnmöglichkeiten zur aktuellen Schieflage kommen konnte. Die Neos haben dazu eine parlamentarische Anfrage eingebracht. “Wir müssen alles daran setzen, dass genügend Mitarbeiter in diesem Bereich arbeiten wollen, um die bestehenden Strukturen abzusichern”, sagt Johannes Gasser. Es gehe auch um die Verlässlichkeit für Angehörige von Menschen mit Behinderung. “Schließt eine Wohngruppe, oder Werkstätte – fällt dies auch auf sie zurück”.
