Jedes fünfte Paar ungewollt kinderlos: Hoffnung bei Unfruchtbarkeit gibt es im Kinderwunschzentrum Feldkirch

Beim Kinderwunsch liegen Freud und Leid oft nah beieinander: Oberarzt Dr. Norbert Loacker, Leiter des Kinderwunschzentrums am Landeskrankenhaus Feldkirch, über die Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin und was für eine Rolle Künstliche Intelligenz in der Fertilitätsmedizin spielt.
Feldkirch Am Sonntag ist Muttertag. Für Frauen, deren Kinderwunsch sich nicht auf natürlichem Weg erfüllt, ist dieser Tag oft schmerzlich. Jedes fünfte Paar ist ungewollt kinderlos – trotzdem gilt ein unerfüllter Kinderwunsch häufig noch als Tabuthema. Täglich damit konfrontiert ist Oberarzt Dr. Norbert Loacker, ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrums am Landeskrankenhaus Feldkirch. Die Einrichtung gibt es seit 40 Jahren und gehört zu den führenden Kinderwunschzentren Österreichs. 2023 kamen 201 Babys dank dem siebenköpfigen Team des Kinderwunschzentrums in Feldkirch mithilfe von künstlicher Befruchtung auf die Welt.
Wie entwickelte sich die Reproduktionsmedizin in den vergangenen Jahren weiter?
Loacker Eine signifikante Verbesserung in der Reproduktionsmedizin war die Optimierung der Kulturmedien, die es uns erlaubt, Embryonen bis zu fünf Tage im Brutschrank zu kultivieren. Dies entspricht einem natürlichen Selektionsprozess und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft erheblich. Zudem haben wir dadurch die Praxis des Single-Embryo-Transfers verstärkt, was zu höheren Schwangerschaftsraten führt und die Zahl der Mehrlingsgeburten reduziert. Neben der langen Kultivierung von Embryonen setzen wir auch auf das Einfrieren von Eizellen, insbesondere bei Patientinnen, die aus medizinischen Gründen ihre Fertilität erhalten möchten. Dies ist eine wichtige Option für Frauen, die sich einer Krebstherapie unterziehen müssen oder deren Fertilität durch andere Erkrankungen eingeschränkt ist.

Welche Menschen suchen das Kinderwunschzentrum auf? Welche Gründe gibt es, dass es auf natürlichem Weg nicht klappt?
Loacker Wir sehen eine Verschiebung der Altersgrenze bei Frauen, die eine Familie gründen möchten. Viele entscheiden sich heute später für Kinder, was bestimmte medizinische Herausforderungen mit sich bringt. Lebensumstände, wie das Fehlen des richtigen Partners, können den Druck erhöhen. Zusätzlich behandeln wir auch lesbische Paare, die ebenfalls den Wunsch nach einem Kind haben.
Seit 2023 gibt es die Behandlung mit Samenspenden. Wie wird dieses Angebot angenommen unf welche ethischen Überlegungen spielen dabei eine Rolle?
Loacker Wir können nun auch lesbischen Paaren Behandlungsmöglichkeiten bieten. Ich glaube fest daran, dass die Motivation für Elternschaft bei homosexuellen Paaren, insbesondere bei lesbischen Frauen, genauso stark ist wie bei heterosexuellen Paaren. Zahlreiche Studien zeigen, dass Kinder in lesbischen Familien in einem sehr schützenden und liebevollen Umfeld aufwachsen. Wir arbeiten mit einer großen, international anerkannten Samenbank in Dänemark zusammen. Überdies arbeiten wir eng mit der Urologie zusammen, da wir immer häufiger mit ernsten Gesundheitsproblemen wie Hodentumoren bei jungen Männern konfrontiert sind. Bevor mit der Chemotherapie gestartet wird, wird ihr Sperma eingefroren. Es gibt auch Paare, bei denen der Mann keine Samenzellen produzieren kann. Auch diese Paare unterstützen wir durch Samenspenden.

Mit welchen Kosten muss in etwa für eine Behandlung gerechnet werden?
Loacker Die Mehrheit der Paare, die sich für eine Kinderwunschbehandlung in Feldkirch entscheiden, wird vom Fonds zur Finanzierung der In-vitro-Fertilisation (IVF-Fonds) finanziell unterstützt. Etwa ein Drittel erfüllt die Fördervoraussetzungen nicht und hat die Kosten für Behandlung selbst zu tragen. Darunter fallen Patientinnen aus dem Ausland, die nicht in Österreich krankenversichert sind und Frauen, die über 40 Jahre alt sind. Ein Behandlungszyklus kostet etwa 4000 Euro.
Wie sieht die Zukunft der Fertilitätsmedizin aus?
Loacker Künstliche Intelligenz spielt eine immer größere Rolle. Sie wird verwendet, um Stimulationsprotokolle zu optimieren und die geeignetsten Embryonen für den Transfer auszuwählen. Moderne Brutschränke, die Embryonen kontinuierlich dokumentieren, sind hierbei ein wichtiges Werkzeug.
Zahlen und Daten zum Kinderwunschzentrum LKH Feldkirch
Im Jahr 2023 entschieden sich 430 Paare erstmals für eine Kinderwunschbehandlung. Mit ihnen und den bereits zuvor betreuten Paaren führte das Team des Kinderwunschzentrums insgesamt 889 Behandlungszyklen durch, davon 516 Eizellenentnahmen (Follikelpunktionen) und 373 Kryozyklen (Übertragung gefrorener Embryonen). Insgesamt wurden 759 Embryotransfers verzeichnet. 1326 Embryonen wurden kryokonserviert, für einen späteren Embryotransfer eingefroren und gelagert. „Mit einer kumulativen Schwangerschaftsrate vom 45 Prozent konnten wir unser hohes Niveau halten, die Zahl der Patient:innen ist ebenfalls konstant geblieben“, zieht Dr. Loacker eine positive Bilanz.
Mehr als zwei Drittel der Frauen, die sich in Feldkirch künstlich befruchten ließen, waren zwischen 30 und 39 Jahre alt. „Wobei die Schwangerschaftsraten pro durchgeführtem Embryotransfer zeigen, dass die Erfolgschance mit steigendem Alter bis zur Gruppe der 39-Jährigen nur minimal sinkt“, ergänzt Dr. Loacker. Auch die Schwangerschaftsrate der über 40-Jährigen sei im Vergleich immer noch überdurchschnittlich hoch.
Knapp 30 Prozent aller Patient:innen stammen aus dem Ausland, vor allem aus dem Drei-Länder-Eck und hier insbesondere aus der Schweiz.
Bei 23 erkrankten Männern und Frauen, zumeist Tumorpatient:innen, konnten im Vorjahr durch Kryokonservierung der Samen- beziehungsweise Eizellen die Chance aufrechterhalten, ein eigenes Kind zu zeugen oder auszutragen.