Mein Haus ist so eng und so klein
Als meine Kinder klein waren, las ich ihnen oft ein Bilderbuch von Axel Sheffler und Julia Donaldson vor: „Mein Haus ist zu eng und zu klein“. Es geht um Oma Agathe, die einen Elender hat, weil sie zu wenig Platz in ihrem winzigen Haus hat. Ein weiser alter Mann hört ihr Geklage, und lässt sie zuerst ihr Huhn, dann ihre Ziege, dann ihr Schwein ins Haus holen, zum Schluss kommt noch die Kuh dazu. Keiner kann sich mehr rühren, alles geht kaputt und wird angefressen. Die Oma weiß nicht mehr ein noch aus, aber der alte weise Mann weiß wieder Rat: Schmeiß alle raus! Die Oma schmeißt alle raus, und was passiert? Danach kommt ihr Haus ihr riesig vor.
„Und es war genau so, wie die Kinder gesagt hatten: Es ging sich alles super aus.“
So ähnlich gehts mir gerade auch. Denn die Kinder sind längst, wie man sagt, Zwanzigirgendwas, und am Wochenende feierten sie gemeinsamen Geburtstag mit anderen Zwanzigirgendwassen im Hüsle am Land. Wie viele werdet ihr sein, fragte ich davor. Wir wissen es noch nicht, sagten sie, so zehn vielleicht? Gut, sagte ich. Es waren dann vierzehn. Schön, sagte ich, wo sollen die denn alle schlafen? Denn mein Hüsle ist nicht ganz so klein wie das von Oma Agathe, aber wirklich nicht groß. Erst unlängst dachte ich, der Dachboden gehört ausgebaut, ich brauche mehr Platz. Das geht sich schon aus!, sagten die Kinder.
Und es ging sich wirklich aus. Heute früh schlichen der Hund und ich uns auf Zehenspitzen in die Wohnküche, weil, wie schon in der Nacht davor, auf dem Sofa zwei, und auf Klappmatratzen davor noch zwei schliefen. Im winzigen Gästezimmer schnarchten drei. Und wenn man im Kinderzimmer alle verfügbaren Matratzen zu dem eingebauten Matratzenlager dazu legt, können da, das wissen wir jetzt, sieben Leute halbwegs kommod übernachten.
Ich stieg zwei Tage lang über Schuhberge und Taschen, aber das war kein Problem, weil ich mich so freute, dass die Bude mal wieder so richtig voller Leben war. Das Wetter hielt auch. Ich buk ein großes Blech Kuchen und zwei Bleche Foccaccia, es wurden Würstel gegrillt und kiloweise Pasta gekocht. Zum Glück wollte ich die schönen alten Rankweiler Küchenstühle nie hergeben, sondern hatte sie im Dachboden geparkt, genau so wie einen babylonischen Turm Blaurand-Teller. Man musste manchmal vor dem Badezimmer warten, und man hörte im Garten Gelächter bis weit nach Mitternacht. Und es war genau so, wie die Kinder gesagt hatten: Es ging sich alles super aus.
Vor einer Stunde sind die einen im Auto abgefahren und die anderen habe ich zum Bahnhof gebracht. Als ich zurück kam, war der Hund sauer auf mich, weil ich ihm die fröhliche Gesellschaft weggenommen hatte, aber mein Hüsle: Mein Hüsle ist jetzt ein Haus, ein großes, ruhiges Haus. Wie viel Platz ich habe: luxuriös eigentlich.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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