Hilferuf aus den Alpen: “Wir können das finanziell alleine nicht mehr stemmen”

Alpine Vereine schlagen Alarm, sehen Schutzhütten und Wege in Gefahr. Für den Erhalt der Infrastruktur am Berg fehlt das Geld – auch in Vorarlberg.
Brand, Bludenz Es war ein riesiger Schock. Ein Skitourengeher hatte Christian Beck ein Foto der zerstörten Totalphütte geschickt. “Mir wurde schwarz vor Augen”, erinnert sich der Hüttenwirt an jenen Tag im Jänner 2019 zurück. Eine riesige Staublawine hatte für ein Bild der Zerstörung gesorgt. Wie auf einem Schlachtfeld habe es ausgeschaut. Bilder, die auch den Verantwortlichen des Vorarlberger Alpenvereins durch Mark und Knochen gingen. Der Wiederaufbau ihrer Schutzhütte auf 2384 Metern sollte 3,6 Millionen Euro kosten und trotz Spenden und Gelder aus einem Sondertopf des Landes ein tiefes Loch ins Budget reißen. Dabei stehen die heimischen alpinen Vereine finanziell längst mit dem Rücken zur Wand. Gemeinsam haben sie jetzt in Wien einen Hilferuf abgesetzt. Der Erhalt der alpinen Infrastruktur sei nicht mehr länger gesichert. Schutzhütten und tausende Kilometer Wege sind demnach in akuter Gefahr.

Mit einem “dringenden Appell zur Rettung alpiner Schutzhütten und Wanderwege” wenden sich die zwölf alpinen Vereine an die Öffentlichkeit, sprechen von einem “Notruf aus den Alpen” und beziffern die dringend notwendigen finanziellen Mittel aus öffentlicher Hand mit 95 Millionen Euro. Dahinter stecke eine seriöse Analyse der notwendigen Investitionen, die selbst nicht mehr getragen werden könnten. Schutzhütten seien ins Alter gekommen und der Klimawandel hinterlasse Spuren – so würden Starkregenereignisse dem Wegenetz zusetzen und der Hüttenbetrieb leide unter Trockenheit. Es ist “fünf vor zwölf”.

Um die alpine Infrastruktur erhalten zu können, fehlt auch in Vorarlberg Geld an allen Ecken und Enden. Der Alpenverein Vorarlberg betreibt insgesamt acht Schutzhütten, sechs davon hochalpin. Zwar habe man in den Jahren fortlaufend in die Instandsetzung investiert, jetzt würden aber auch größere Ausgaben anstehen, sagt Geschäftsführer Michael Mathis. Da ein neues Dach für die Tilisunahütte, dort neue Kläranlagen, eine Materialseilbahn für die Frassenhütte und ein Kleinwasserkraftwerk für die Sarotlahütte: Alleine beim Alpenverein summieren sich die Gebäude-Investitionen für die nächsten fünf Jahre auf rund vier Millionen Euro, wie Mathis sagt. Anderen Vereinen geht es ähnlich.

Viel Geld kostet zudem der Erhalt des Wanderwegenetzes mit gesamt 6400 Kilometern in Vorarlberg. “Wir sind auf Förderungen angewiesen, auch weil wir bei den Wegen keine Einnahmen haben”, beschreibt der Alpenverein-Geschäftsführer. Selbst könne man das finanziell bei Weitem nicht stemmen. 200.000 Euro würde ein professioneller Bautrupp jährlich kosten, der in diesen Tagen wieder die Arbeit aufnimmt. Zuerst eine Brücke zur Sarotlahütte, danach stünden Arbeiten auf dem Weg zum Freschenhaus an. Dort sei ein ganzer Abschnitt abgerutscht, so Mathis. Zudem würde eine Heerschar an Freiwilligen unentgeltlich am Erhalt der Wege mitarbeiten.

Der Wiederaufbau der Totalphütte nach dem Lawinenabgang 2019 war für den Alpenverein ein Kraftakt, der auch finanziell Spuren hinterließ. Dafür steht jetzt oberhalb des Lünersees ein echtes Schmuckstück, das alle Stücke spielt. “Die Hütte ist wunderbar erschlossen, wir sind mit Wasser gesegnet”, sagt Christian Beck. Auch die neue Materialseilbahn sei ein Seegen. Gemeinsam mit der ganzen Familie kann er es kaum erwarten, bis die Saison wieder startet. Mitte Juni geht es los. “Wir machen es einfach mit Freude”, so der langjährige Hüttenwirt.
Petition zum Erhalt der Schutzhütten und Wanderwege. https://notruf-aus-den-alpen.at/