Exklusiv: Todesfall im Heim – Das steht im Sachverständigen-Gutachten

Der Tod eines 89-jährigen Bewohners des Pflegeheims “In der Wirke” in Hard vor zwei Jahren wühlt auf. Den VN liegt jetzt das Gutachten der amtlichen Sachverständigen vor. Beschrieben wird ein Personalmangel. Es wurden Auflagen erteilt.
Hard Die Rechercheplattform Dossier hatte den Fall um einen möglichen Hungertod im Pflegeheim “In der Wirke” in Hard aufgedeckt. Die Vorwürfe wiegen schwer. Wenige Monate nachdem ein 89-Jähriger in das SeneCura-Heim eingezogen war, verstirbt er abgemagert und wundgelegen. Es geht um den Verdacht der Vernachlässigung. Und es geht um eine mögliche Vertuschung. Die zuständige Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne, 60) hatte das vehement bestritten und wesentliche Erkenntnisse aus einem Amtssachverständigen-Gutachten öffentlich gemacht. Konkret: Die Pflege als solche sei stets professionell erfolgt. Und: Im SeneCura-Sozialzentrum seien keine pflegefachlichen Defizite festgestellt worden. Andere Erkenntnisse wurden hingegen ausgeblendet, wie Recherchen jetzt zeigen. Das neunseitige Gutachten, das den VN mittlerweile vorliegt, beschreibt auch Versäumnisse und weist auf Personalnot hin.
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“Im Zuge der Überprüfung fallen Versäumnisse bei der Durchführung des Pflegeprozesses und in weiterer Folge bei der Anpassung der Pflegeplanung auf”, heißt es im Amtssachverständigen-Gutachten wörtlich. Die Sachverständige hatte die angespannte Personalsituation als Ursache dafür eruiert und der Heimleitung Auflagen erteilt. Sie sollte dafür sorgen, dass Pflegerinnen und Pfleger ausreichend Zeit für die Bewohner hätten, weil ansonsten eine Schädigung und Gefährdung der Bewohner nicht ausgeschlossen werden könne. Dazu sollte es vom Amt stichprobenartige Kontrollen der Pflegedokumentation geben.

Zu wenig Zeit hatte das Pflegepersonal ganz offensichtlich für den damals 89-jährigen Bewohner. Diesen Schluss lässt jedenfalls die abschließende Empfehlung der Amtssachverständigen im Gutachten zu. Dort wird die “Hinzuziehung von zusätzlichem Betreuungspersonal bis zu zwei Stunden täglich, um den erhöhten Betreuungsbedarf bei Herrn L. abzudecken” angeregt. Eine Empfehlung, die für den betagten Bewohner zu spät kam. Datiert ist das Gutachten mit 3. August 2022, drei Tage vor dem mutmaßlichen Hungertod des Mannes.
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Der Rechercheplattform Dossier zufolge soll er 89-Jährige innerhalb von drei Monaten 15 Kilogramm abgenommen haben und kurz vor seinem Tod nur noch 46 Kilo gewogen haben. Unterlagen dokumentieren den Gewichtsverlust. Von 60,5 Kilogramm sank das Gewicht innerhalb von zwei Monaten auf 56,5 Kilogramm und dann in nur einem Monat auf 45,6 Kilogramm. Angehörigen ist die rapide Gewichtsabnahme schnell aufgefallen, auf entsprechende Hinweise habe das Heim aber nicht reagiert, beklagen die Söhne. Der Pflegeheimbetreiber weist die Vorwürfe entschieden zurück. Die Darstellung einer angeblichen Mangelernährung sei “schlichtweg falsch”. Schützenhilfe erhält SeneCura von der Amtssachverständigen. Im Gutachten wird ausgeschlossen, dass der ausgeprägte Gewichtsverlust durch Pflegefehler entstanden sein könnte.

Das Sozialressort im Landhaus ist indes um Schadensbegrenzung bemüht. Schon kurz nach Veröffentlichung der Geschichte um den tragischen Tod des 89-jährigen Mannesnkündigte Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker die Einsetzung einer Kommission an, die den Fall neuerlich untersuchen soll. Außerdem lud sie die Gesundheits- und Sozialsprecher aller Parteien zu einem Gespräch ein. Manuela Auer (SPÖ) resümierte gegenüber den VN: „Es sind noch ziemlich viele Fragen offen.“ Es sei aber wohl so gewesen, dass zu besagter Zeit der Personalmangel eine große Rolle gespielt und auch die Kommunikation mit den Angehörigen im Argen gelegen habe.

Die Neos fordern insgesamt eine Reform der Heimaufsicht des Landes. „Jede Qualitätsvorgabe und jeder Personalschlüssel in der Pflege ist nur so gut, wie er auch tatsächlich umgesetzt wird. Nur wenn Vorgaben eingehalten werden, ist eine angemessene Pflege sichergestellt. Dafür braucht es Kontrollen und eine Qualitätssicherung“, erläutert Klubobmann Johannes Gasser. Ob aktuell die Heimaufsicht des Landes diese Kontrollen im notwendigen Maße gewährleistet, sei nach dem Fall im SeneCura-Heim in Hard eine Frage, der man sich stellen müsse. „Es kann nicht sein, dass Prüfungen schon Wochen vorab angekündigt werden und darüber hinaus nur im Anlassfall Kontrollen stattfinden“, moniert Gasser. Zu klären ist aus seiner Sicht auch, wie detailliert der Zustand von Bewohnern erhoben oder ob lediglich die Pflegedokumentation als Basis herangezogen wird.

Als etwas schwierig dürfte sich die Einsetzung einer Kommission erweisen, wie aus Kreisen der Gesprächsteilnehmer zu hören war. Immerhin geht es auch darum, den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen zu wahren. Gleichzeitig müssen die Personen Einsicht in alle Unterlagen bekommen. SPÖ-Sozialsprecherin Manuela Auer verlangt jedenfalls eine zeitnahe Aufarbeitung. Allen Fraktionen gemeinsam ist die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung der Geschehnisse. „Alle relevanten Unterlagen in Zusammenhang mit dem Fall müssen vollständig offengelegt werden“, ließ etwa ÖVP-Sozialsprecherin Heidi Schuster-Burda wissen.
Mitarbeit: Marlies Mohr