„Ich hab´ mich fürs Leben entschieden“

Vorarlberg / 11.08.2024 • 15:59 Uhr

Michael hat sich durch entscheidende Hilfestellung aus dem Alkoholsumpf befreit.

„Ich hab´ mich fürs Leben entschieden“
Michael blickt wieder optimistisch in die Zukunft – er hat sich für ein Leben ohne Alkohol entschieden. EM

Feldkirch „Trinken ist wie ein Rucksack, den man einen Berg hinaufschleppt. Man packt immer weitere Steine hinein bis es irgendwann nicht mehr geht und das Gewicht einen runterzieht. Das Ziel wird dann unerreichbar.“ Ein passender Vergleich, den Michael zu seiner Alkoholsucht zieht.

Michael ist eigentlich der zweite Vorname des 52-jährigen Vorderländers, um aber offen erzählen zu können und trotzdem sein Umfeld zu schützen, haben wir uns für diese Variante entschieden. „Ich hatte im Leben alles, was man sich wünscht: Einen guten Job, Familie, Reihenhaus mit Garten – es hat an nichts gefehlt.“ Dass der gelernte Elektromechaniker irgendwann vor dem Nichts stand, war ein schleichender Prozess: „Ein Feierabendbierchen war täglicher Fixpunkt. Es wurde aber mehr und mehr und schlussendlich brauchte ich auch an den Wochenenden daheim schon am Vormittag Alkohol.“

Dass der Druck in der Arbeit stetig größer wurde, war auch nicht förderlich. „Die Technik schritt immer weiter voran, es gab wenig Schulungen und so musste ich mir vieles selbst beibringen. Ich habe mich auch an Abenden und am Wochenende mit der Arbeit befasste.“ Michael sinniert: „Eigentlich hatte ich zwei Süchte: Ich war ein Workaholic und da war auch noch der Alkohol. Das Spiel kannst du vielleicht eine Zeit lang spielen, es geht aber fix nicht gut.“

Irgendwann hat auch die Beziehung mit seiner Partnerin und der Mutter des gemeinsamen Sohnes nicht mehr geklappt und ihm wurde erstmals bewusst, dass sein Alkoholkonsum abnormal war. Zudem war der Stress im Job unerträglich geworden und so kündigte er aus einer spontanen Entscheidung heraus. Zwei stationäre Entzüge folgten, Michael wurde aber rückfällig: „Irgendwann hat meine Partnerin das Handtuch geworfen und mich rausgeschmissen.“

Inzwischen hat er wieder ein freundschaftliches Verhältnis zu ihr, kann ihre damalige Entscheidung ein Stück weit nachvollziehen. „Es war klar meine Schuld, dass es zur Trennung kam.“ Michael erinnert sich an seinen Tiefpunkt: „Ich bin morgens in den Supermarkt und habe mir Kräuterschnaps und Bier geholt, zuletzt waren es sogar zwei Flaschen Schnaps. Damit bin ich an meine Lieblingsplätze in der Natur gegangen und habe mich angetrunken.“

Das „böse Erwachen“ hatte Michael, als er eines Tages im Winter auf der Intensivstation im LKH Feldkirch aufwachte: „Das Pflegepersonal erzählte mir, dass ich volltrunken von einer Bank gekippt bin und mich ein Spaziergänger gefunden hat. Ich war stark unterkühlt und hatte Glück, überlebt zu haben.“ Ein Arzt sprach dann Klartext: „Sie sind an einem Punkt, an dem Sie sich für das Leben oder den Tod entscheiden.“

Das war für ihn ein entscheidender Wendepunkt: „Ich habe in Tirol einen weiteren stationären Entzug gemacht, anschließend bekam ich einen Platz in der Sucht-Wohngemeinschaft der Caritas in Feldkirch-Nofels.“ Klar, es habe einige Wochen gebraucht, bis er sich dort eingelebt habe. Von Anfang an habe er aber gespürt, dass ihm die Unterstützung, die Therapieangebote in der Wohngemeinschaft sowie der Suchtfachstelle der Caritas guttun. „Die WG war das Beste, was mir seit langem passiert ist“, ist Michael dankbar.

Mittlerweile ist fast ein Jahr vergangen und sein Leben hat sich weitgehend stabilisiert. Besonders erfreulich: Er blickt inzwischen positiv in die Zukunft, eine leistbare Wohnung gefunden und möchte, zumindest in Teilzeit, wieder arbeiten. Wie sein Leben in zehn Jahren aussehen soll? „Eigentlich fast so, wie ich es schon hatte: Eine Wohnung mit Terrasse, einen Hund und idealerweise auch wieder eine Beziehung. Aber das muss gut passen.“ EM

Informationen zur Suchthilfe der Caritas unter www.caritas-vorarlberg.at/sucht