Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Wider die Apokalypse

Vorarlberg / 20.09.2024 • 16:03 Uhr

Immer wieder ist dieser Tage an die Aussage von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erinnert worden, wonach es „keinen wissenschaftlichen Beweis“ für eine „Untergangsapokalypse“ gebe, die von Klimaaktivisten gezeichnet werde: Was war denn das, was sich gerade in Ostösterreich ereignet hat? Am Wienfluss gab es ein 1000-jährliches Hochwasser. Dass die Stadt glimpflich davongekommen ist, ist Schutzvorrichtungen zu verdanken, die um unglaublich viel Geld errichtet worden sind. In Niederösterreich sieht man, was passiert, wenn es in weiten, zersiedelten Regionen nichts vergleichbares gibt, ja geben kann, weil es dort unfinanzierbar ist.

„Auch ernsthafte Klimapolitik ist dann etwas, was von einer Volks- im Sinne von Massenpartei ohne Angst vor Verlusten gemacht werden kann.“

Karl Nehammer ist ein Getriebener des Klimaleugners Herbert Kickl (FPÖ), seiner Partei und seiner selbst. Das ist das eine. Das andere: Er folgt einer herkömmlichen Logik: Politik beschränkt sich demnach auf das unmittelbar Wichtige und auch Notwendige, nämlich Hilfe für die Opfer. Außerdem werden Wiederaufbau und eine Ausweitung der Schutzmaßnahmen versprochen. Koste es, was es wolle. Kaum ein Regierender würde das anders machen.
Es ist jedoch ein Teufelskreis. Die beste Antwort auf die Untergangsapokalypse ist nicht, einfach nur so weiterzumachen wie bisher, sondern herauszuarbeiten, womit über das ohnehin schon schwer zu ertragende Extremereignis hinaus zu rechnen ist und welche Handlungsoptionen bestehen. Klar ist: Die Extremereignisse häufen sich. Alle paar Jahre gibt es ein 30- oder 100-jährliches Hochwasser. Auch ein 300- oder eben sogar 1000-jährliches kann man heute schon mit größerer Wahrscheinlichkeit erleben. Natürlich: Die Bemessungskriterien wird man anpassen. Der Haken ist jedoch, dass viele Schutzbauten auf bisherige ausgelegt sind. Nötige Ergänzungen werden teuer und trotzdem nie ausreichen. Es wird immer Überschwemmungen geben und daher werden immer auch erhebliche Schäden zu beheben sein. Das wird ebenfalls teuer.
Wie soll das bezahlt werden? 2002 ist eine Steuerentlastung infolge einer Hochwasserkatastrophe abgesagt worden. 2024 hat man sich eine Entlastung schon vor den Fluten nicht leisten können, jetzt ist das noch weniger der Fall. Selbst wenn man Einsparungen vornimmt, wo sie möglich sind, bleibt die Frage, wie die gigantischen Ausgaben bewältigt werden könnten: Durch eine eigene Versicherung? Durch einen erhöhten Steuerbeitrag zum Katastrophenfonds, der zudem wieder in einen richtigen Fonds umgewandelt wird, in dem Geld für große Katastrophen angespart wird?

Und überhaupt: Hochwasser- (folgen)bekämpfung muss verstärkt durch eine Begrenzung des Bodenverbrauchs und Renaturierung einerseits sowie eine neue Siedlungspolitik andererseits betrieben werden. Eigenheim ist schön und gut. Pflicht der Politik ist es jedoch, darauf zu achten, dass der Traum dort realisiert wird, wo er morgen nicht untergeht.
Es mag unpopulär sein. Aber nur, wenn man es isoliert betrachtet. Wenn man von den Bedrohungslagen ausgeht, die zunehmend real werden, und das Ganze sieht, ist das anders. Auch ernsthafte Klimapolitik, die auf eine längerfristige Eindämmung der Klimakrise und von Unwetterereignissen ausgerichtet ist, ist dann etwas, was von einer Volks- im Sinne von Massenpartei ohne Angst vor Verlusten gemacht werden kann.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.