“Jede Antiquität erzählt etwas und hat eine Seele”

Vorarlberg / 23.09.2024 • 11:17 Uhr
geschichte mit otto rudigier, er ist antiquitätenhändler,
Otto Rudigier, umgeben von seinen Antiquitäten.Roland Paulitsch

Otto Rudigier und sein Hang zu schönen, alten Dingen.

Gaschurn Als Bub arbeitete Otto Rudigier (85) als Ziegenhirte. Mit dem Lohn, den er dafür bekam, kaufte er sich einen Montafonertisch. Schöne Dinge faszinierten ihn schon als Teenager. Seine Leidenschaft für interessante Objekte machte er später zu seinem Beruf. Aber zunächst absolvierte der Montafoner eine Lehre zum Elektriker. Nach der Ausbildung arbeitete er 17 Jahre lang bei der „illwerke“. „Ich war zuständig für die Elektroversorgung im Innermontafon.“ Der Job gefiel ihm, „aber ich wollte handeln und mein eigener Chef sein“. Also machte er sich als Händler selbstständig. Zunächst handelte er mit Fernsehern – zu einer Zeit, wo noch kaum einer einen besaß. „Ich habe im Großhandel 300 Stück gekauft und sie im Montafon verkauft. „In Gaschurn hat mir fast jeder einen abgekauft.“

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Diese Muttergottes ist mehrere hundert Jahre alt. Sie stammt aus der gotischen Zeit.

Es entging ihm nicht, dass Händler aus der Schweiz im Montafon alte Sachen aufkauften. Er dachte sich: Das, was die können, kann ich auch. Und begann ebenfalls nach alten, wertvollen Gegenständen zu suchen, mit dem Ziel sie zu erwerben und sie dann zu einem angemessenen Preis zu verkaufen. Er tat sich nicht schwer. Als Elektriker war er im Montafon in viele Haushalte gekommen. Von daher wusste er, wer was hatte. So wurde aus Otto ein Antiquitätenhändler, ein leidenschaftlicher, denn schöne alte Sachen hatten ihn ja schon immer fasziniert. Sein erstes Stück, das er erstand, war ein Feuerwehrauto aus dem Jahr 1907. „Die Leute meinten: Jetzt schnappt der Rudigier über.“ Aber Otto wusste, was er tat. Ein Schausteller aus Deutschland nahm ihm das Fahrzeug schließlich ab und verwendete es auf dem Oktoberfest für Werbezwecke.

Um die Dinge, die er kaufte und verkaufte richtig einordnen zu können, las Otto sich Fachwissen an. „Man muss sich in der Kunstgeschichte auskennen.“ Heute sieht er auf den ersten Blick, ob ein Gegenstand einen Wert hat oder nicht. „Ich habe mich ja ein Leben lang damit befasst.“

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Auch Uhren können sehr dekorativ sein.

Sein Wohnzimmer gleicht einem Museum – so viele Kunstwerke, Sammlerstücke und dekorative Dinge befinden sich dort: eine Truhe aus dem Jahr 1660 etwa, eine Jesusfigur, die 500 Jahre alt ist oder eine gotische Madonna, die auf einem Tabernakel angebracht ist. Die besten Dinge, die Otto erwarb, hat er behalten und nicht verkauft. „Mich freut ein gutes Objekt. Ich sehe es als Aufwertung des Wohnbereichs.“ Außerdem: „Ein Sammler will seine Sammlung laufend verbessern.“ Otto lebt mit seinen Antiquitäten. „Im Gegensatz zu vielen anderen Händlern habe ich eine Beziehung zu den Dingen, denn ich kenne die Geschichte hinter jedem Objekt. Jedes Stück erzählt etwas und hat eine Seele.“ Von seinen Kostbarkeiten im Haus möchte er sich nicht trennen. „Diese Dinge sind unverkäuflich. Sie bleiben da, solange ich lebe.“

Der 85-Jährige hat seinen Beruf noch nicht ganz abgestreift. Er geht auch heute noch gerne auf Flohmärkte und findet dank seines geschulten Auges immer etwas. „Kürzlich habe ich einen Bronzetopf aus dem Jahr 1650 um 30 Euro erstanden. Es macht mich zufrieden, wenn ich etwas entdecke.“ Auch im Sperrmüll fand er schon Sachen, etwa einen hundertjährigen Rodel.

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Das Wohnzimmer gleicht einem Museum – so viele Kunstwerke, Sammlerstücke und dekorative Dinge befinden sich dort.

Rückblickend erfüllt es ihn mit Freude, dass er in seinem Beruf erfolgreich war. Zu seinen Kunden zählten auch Prominente. „Mir haben einige bekannte Schauspieler Antiquitäten abgekauft. Die besten und meisten Abnehmer hatte ich aber in St. Moritz und in Gstaad.“ Es freut ihn auch, dass ihm all seine Kunden wohlgesonnen sind. „Wenn man gute Stücke verkauft, dann kriegt man keinen Ärger“, sagt er und blickt versonnen auf den funkelnden Kronleuchter an der Decke.  

Rudigier
Mit 14 begann Otto Rudigier Zither zu spielen.

Otto Rudigier

geboren 5. Jänner 1939

Familie verwitwet, drei Kinder, vier Enkel

Ausbildung Elektriker

Hobbys schöne Dinge sammeln, Zither spielen