Hildegard Heinzle: Die Vorarlbergerin, die Frankreichs Schulhöfe veränderte

Vorarlberg / 21.10.2024 • 14:00 Uhr
Hildegard Heinzle / Handout
Waldpädagogik in Frankreich? Hildegard Heinzle hat das Vorarlberger Konzept auf städtische Schulhöfe übertragen. Fotos: Handout

Die gebürtige Götznerin Hildegard Heinzle brachte ein naturbasierten Pädagogikkonzept französische Schulhöfe – ein Ansatz, der Kinder spielerisch an die Natur heranführt und ihre Lernprozesse positiv beeinflusst.

Schwarzach, Bonn Zwischen hochgewachsenen Gräsern und ungezähmten Büschen verstecken sich Kinder. Ihre fröhlichen Stimmen mischen sich mit dem Rascheln der Blätter – eine Szene, die man eher in einem Wald erwarten würde als auf einem Schulhof in Bonn. Die wilde Ecke, wie Hildegard Heinzle diesen naturnah gestalteten Bereich nennt, ist für die Schulleiterin mehr als nur ein Spielplatz. Sie sieht darin einen Beweis für den unschätzbaren Wert der Natur im Lernprozess von Kindern. „Es war ein langer Weg, aber die positiven Veränderungen bei den Kindern waren sofort spürbar“, sagt die 61-jährige Vorarlbergerin stolz.

Hildegard Heinzle / Handout
Im Jahr 2015 entschied sich Heinzle, die in Vorarlberg kennengelernte
Waldkindergartenpädagogik in Frankreich bekannt zu machen.

Was heute als innovativer pädagogischer Ansatz in Frankreich gefeiert wird, hat seine Wurzeln in Heinzles Heimat Vorarlberg. Die gebürtige Götznerin, Jahrgang 1963, verließ mit 26 Jahren Österreich und zog nach Westafrika, wo sie acht Jahre in Mali, Togo und der Côte d’Ivoire lebte. 1998 ließ sie sich in Dijon, Frankreich, nieder und trat dort als Grundschullehrerin in den Staatsdienst ein. Ihre Berufung zur Schulleiterin führte sie an eine Brennpunktschule, in der viele Kinder kaum Kontakt zur Natur hatten. „Diese Kinder hatten panische Angst vor Insekten und wollten keinen Fuß auf eine Wiese setzen. Sie verbrachten den Großteil ihrer Zeit in der Wohnung“, erinnert sich Heinzle.

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Nach intensiven Verhandlungen mit der Stadtverwaltung von Dijon erhielt sie die Erlaubnis, eine
Grünfläche auf dem Schulgelände in eine „wilde Ecke“ zu verwandeln – mit
Erdhügeln, natürlichen Materialien und ungestört wachsenden Pflanzen.

Inspiriert von der Waldkindergartenpädagogik in Vorarlberg, die sie aus ihrer Heimat kannte, entwickelte Heinzle die Idee einer „wilden Ecke“ – eine naturnahe Zone auf dem Schulhof, die den Kindern Zugang zur Natur verschaffen sollte. Nach monatelangen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung von Dijon erhielt sie die Erlaubnis, eine Grünfläche auf dem Schulgelände zu gestalten. Was zunächst Skepsis hervorrief, entwickelte sich zu einem vollen Erfolg: „Die Kinder, die zuvor kaum den Rasen betraten, fühlten sich plötzlich in der Natur wohl. Sie lernten schneller, ihre Ängste und ihr Stress verschwanden.“

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Die gebürtige Götznerin lebte lange Zeit in Westafrika, ehe sie 1998 nach Dijon kam.

Studien belegen, dass Kinder, die Zeit in der Natur verbringen, nicht nur ihre Kreativität und Sozialkompetenz verbessern, sondern auch schneller sprachliche Fähigkeiten entwickeln. Heinzle konnte diese Erkenntnisse aus ihrer Arbeit direkt beobachten. „Wenn Kinder draußen sind, müssen sie mehr miteinander kommunizieren. Sie erklären, was sie bauen oder entdeckt haben, und das stärkt sowohl ihre sprachlichen Fähigkeiten als auch ihre Sozialkompetenzen“, erklärt sie.

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Im Jahr 2021 besuchten der damalige französische Unterrichtsminister Jean-Michel
Blanquer und die damalige Umweltministerin Barbara Pompili die Schule in Dijon, um
das Projekt in Augenschein zu nehmen.

Ihr Engagement in Dijon weckte bald das Interesse der Akademie Dijon, die Heinzle einlud, Lehrerfortbildungen über die naturnahe Pädagogik zu leiten. Auch das Pariser Projekt OASIS, das alle Schulhöfe in der Hauptstadt naturnah umgestalten will, wurde auf Heinzle aufmerksam. 2020 wurde sie vom Rat für Architektur, Städtebau und Umwelt Paris eingeladen, die pädagogischen Möglichkeiten solcher Schulhöfe zu erläutern.

Hildegard Heinzle / Handout
Seit 2022 leitet Hildegard Heinzle die französische Schule in Bonn, wo sie ihre
langjährigen Erfahrungen weiterhin nutzt, um die naturnahe Pädagogik
voranzutreiben und umzusetzen

Heute leitet Hildegard Heinzle die französische Schule in Bonn und setzt dort weiterhin auf naturnahe Pädagogik. „Wir haben hier 32 verschiedene Nationalitäten, und die Kinder lernen nicht nur Sprachen, sondern auch, die Natur zu schätzen. Das ist für mich die größte Freude“, sagt sie.

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Mit ihrer Arbeit hat Heinzle nicht nur das Leben unzähliger Kinder positiv verändert, sondern auch einen Bildungsansatz gefördert, der in ganz Frankreich zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Zur person

Wohnort: Bonn

Alter: 61 Jahre

Werdegang 1985 bis 1990 Diätassistentin in der Schweiz und Vorarlberg

1990 bis 1998 : Aufenthalt in Westafrika

1998 bis 2010 : Textilkünstlerin, Dijon, Frankreich

2010 bis 2022 : Grundschullehrerin und Direktorin in Dijon,

2022 bis heute : Leiterin der französischen Schule de Gaulle – Adenauer in Bonn

Mutter von drei Kindern

Hobbys Wandern, Musik und Kunst

Lebensmotto Begeisterung ist das beste Lebenselixir