220 Meter hoch, 1000 Meter entfernt – Ein Windrad vor den Toren Lustenaus

Vorarlberg / 07.02.2025 • 09:15 Uhr
220 Meter hoch, 1000 Meter entfernt - Ein Windrad vor den Toren Lustenaus
Dietmar Haller will nicht, dass Lustenau ein Windrad vor die Nase gesetzt wird. SFS, HAller

Am Sonntag stimmt die Gemeinde Au in St. Gallen ab, ob ein geplantes Windrad im Industriegebiet stehen kann. Auch in Lustenau gibt es skeptische Blicke.

Au SG, Lustenau Unter dem Titel “RhintlWind” plant das Unternehmen SFS bei Au in St. Gallen die erste Windenergieanlage im Kanton, auf dem Firmengelände direkt neben den Produktionshallen. Kritiker aus der Gemeinde ist dies zu nahe – sie fordern einen 500 Meter Abstand zum Wohngebiet. Und auch in Lustenau gibt es nun Widerstand.

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Im Vorarlberger Rheintal klagt man eher über die Dimensionen: Das Windrad hat eine geplante Nabenhöhe von 140 Metern, der Rotor einen Durchmesser von 160 Metern. Dies gibt eine Gesamthöhe von 220 Metern – eine Bauhöhe, die in den vergangenen Jahren immer öfter umgesetzt wurde. Denn Windräder werden immer größer – einerseits steigert dies die Leistung durch den größeren Rotor, andererseits ist in der Höhe der Wind meist zuverlässiger und stärker. SFS erwartet sich eine Leistung von fünf oder mehr Gigawattstunden, ein Jahr lang erhob ein Messmast die erwartbaren Leistungswerte. Das Windrad sei außerdem leiser als die angrenzenden bestehenden Produktionsstätten, versichert SFS. Auch die Stiftung Landschaftsschutz bevorzugt ein Windrad im Industriegebiet als auf der grünen Flur. Das Projekt wurde Anfang 2024 beim Kanton eingereicht, eine Umsetzung wäre für 2026 denkbar.

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SFS hat Fotomontagen erstellt, wie man das Windrad auf gewisse Distanzen wirken würde. Große Teile von Lustenau sind ebenfalls knapp über 1000 Metern entfernt. SFS
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Eine weitere Montage, so stelle sich das Windrad aus über 2000 Metern Distanz dar. SFS

Das alleinstehende Windrad ist nun Anlass für eine kommunale Volksabstimmung am Sonntag. Dann kann die Wohnbevölkerung über die “Initiative für einen Mindestabstand (500 Meter) von Windenergieanlagen” zu bewohnten Grundstücken in Au entscheiden. Initiiert wurde dies von der Interessengemeinschaft “Gegenwind Au-Heerbrugg“. In den Dokumenten zur Initiative wird daran erinnert, dass sich das Schweizer Stimmvolk bereits drei Mal für den Ausbau und erleichterte Auflagen für erneuerbare Energien aussprach, zuletzt im Juni 2024. “Wenn es dann aber in der Nähe stehen soll, sieht man es vielleicht wieder ein bisschen anders”, vermutet Gemeindepräsident Christian Sepin. SFS setzt derweil seit Jahren auf Informationsveranstaltungen und eine Homepage. “RhintlWind wird intensiv diskutiert, was zu erwarten war und wichtig ist. Neben Fragen und Meinungsäußerungen von Personen, die dem Projekt skeptisch gegenüberstehen, erhalten wir auch sehr viele positive Rückmeldungen”, betont SFS – und erwartet sich vom Ergebnis der Abstimmung auch ein Stimmungsbild der Gemeinde.

Distanzen Windrad SFS
Bei einem Schattenwurf von bis zu 1700 Metern wären große Teile von Lustenau in den Abendstunden betroffen, befürchtet Haller. Bürgerbewegung Lustenau

Der Lustenauer Gemeindemandatar Dietmar Haller, als Parteifreier in der Fraktion der FPÖ, will sich mit einer “Bürgerbewegung Lustenau” gemeinsam mit der Schweizer Initiative gegen das Windrad stemmen. Aktiv sei er als Privatperson und Betroffener, noch vor wenigen Wochen habe es keine Partei in Lustenau interessiert. Sein Kritikpunkt: Am Abend ist mit einem Schattenwurf von bis zu 1700 Metern zu rechnen, und damit auch auf Lustenau. Und die Erfahrungen würden zeigen, dass ein nahes Windrad einen negativen Effekt auf die Immobilienpreise hat. “Wer will schon unter dem bislang größten Windrad der Schweiz leben?” fragt Haller, auch mit Verweis auf das in der Nacht gut sichtbare rote Signallicht an der Spitze des Windrads.

Distanzen Windrad SFS
Dietmar Haller (rechts außen) unterstützt die Schweizer Initiative “Gegenwind Au-Heerbrugg” im Kampf gegen das Windrad im Siedlungsraum. Bürgerbewegung Lustenau/IG GEgenwind AU

Und es sind nicht die einzigen Windradpläne im Rheintal: “Wenn das durchgeht, geht es natürlich weiter.” Denn während Bayern die zehnfache Windradhöhe als Mindestabstand zum Wohngebiet vorschreibt, kennt die Schweiz solche Vorgaben gar nicht. Haller macht sich jedoch nichts vor: Ungeachtet der Abstimmung am Sonntag wird die unterlegene Seite den Kampf auf eine andere Ebene tragen. “Die Fronten sind verhärtet”, räumt Haller ein.

So hoch wäre das Windrad für die Lustenauer

Faktisch ist das Windrad weit höher als der Kirchturm der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Lustenau. Dieser kommt mit 58,60 Metern gerade einmal auf ein Viertel der Gesamthöhe. Die Leuchtmasten des neuen Reichshofstadions sind mit 40 Metern gerade einmal ein Fünftel so hoch wie das Windrad, das geplante Minarett war gerade einmal etwa 20 Meter hoch.
Die wahrgenommene Größe im Blickfeld nimmt jedoch mit der Entfernung ab. So liegt das Fußballstadion der Austria Lustenau 1000 Meter vom geplanten Standort entfernt. Auf diese Distanz wäre ein 200 Meter großes Windrad gleich hoch wie ein 200 Meter entferntes Objekt von 35 Metern Höhe. Wer sich also vor dem Stadion aufhalten würde, würde die vier Leuchtmasten als höher als das Windrad empfinden.

Akustisch ist ein Windrad in einer Distanz von 400 Metern vergleichbar mit einer Autobahn in einer Entfernung von 1,8 Kilometern. Infraschall spielt laut dem Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung der Bayreuther Universität keinen Einfluss auf die Gesundheit, weder auf 300 Meter Entfernung noch darüber hinaus.