Historisch niedrige Geburtenrate

Vorarlberg / 13.02.2025 • 08:58 Uhr
Historisch niedrige Geburtenrate
Neugeborenes Kind: Im vergangenen Jahr gab es 3752 Geburten in Vorarlberg. Das waren um ein Achtel weniger als 2021. Foto: APA

Vorarlberg: Fachleute sehen Krisen und finanzielle Belastungen als Ursachen.

SCHWARZACH. Der Geburtenrückgang hat sich im vergangenen Jahr fortgesetzt. Gerade einmal 3752 Buben und Mädchen sind hierzulande auf die Welt gekommen. Das waren um gut ein Achtel weniger als 2021 (4295). Noch etwas weniger waren es 2007 und 2013. Damals handelte es sich aber noch um rund 1000 pro 100.000 Einwohner. Jetzt waren es nur noch 913. Das ist eine historisch niedrige Rate. Zurückzuführen ist das nicht nur auf die Alterung: Auch die Bereitschaft, eine Familie zu gründen, hat nachgelassen.

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„Die Krisen der vergangenen Jahre, anhaltende Kriege und die Teuerung haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Lebensgestaltung von Menschen und stellen viele vor große Herausforderungen. Diese Situationen werden als sehr belastend erlebt und der Optimismus geht verloren, weshalb viele Paare ihre Zukunftsplanung neu bewerten und ihren Kinderwunsch überdenken“, erklärt Susanne Wallner, Leiterin der ifs-Fachberatung.

Der Familienforscher Wolfgang Mazal bestätigt, dass Unsicherheiten „eine Rolle spielen“: „Das muss man sehen, ich würde es aber nicht dramatisieren wollen: In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Geburten hinaufgegangen, jetzt geht sie wieder hinunter.“

Susanne Wallner, ifs, Leiterin Geschäftsfeld Fachberatung
„Die Krisen der vergangenen Jahre stellen viele vor große Herausforderungen”, analysiert Susanne Wallner, Leiterin der ifs-Fachberatung Foto: IFS/Dünser

Angelika Atzinger vom Verein „Amazone“ sieht nicht nur das Phänomen, dass sich viele Paare in Krisenzeiten schwerer für ein Kind entscheiden. Es gehe auch darum, dass die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit nach wie vor schwierig sei – vor allem weil erwartet werde, dass Frauen für den Großteil der Sorgearbeit zuständig seien.

Was tun? Laut Atzinger ist Gleichstellungspolitik gefordert, die etwa dazu beiträgt, dass sich Männer stärker um die Kinder kümmern. Laut Wallner braucht es unter anderem flächendeckend Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Für Mazal geht es zunächst um eine Frage der Einstellung: „Unser Wohlstandsniveau ist noch immer höher als vor 20 Jahren. Daher ist es wichtig, an junge Paare zu appellieren: Fasst Mut, es wird gehen.“

Angelika Atzinger, Amazone-Geschäftsführerin
Es gehe auch darum, dass die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit nach wie vor schwierig sei, erklärt Angelika Atzinger vom Verein “Amazon”. Foto: AMAZONE

Guntram Bechtold, Obmann des Familienverbandes, spricht sich für ein Maßnahmenpaket aus: Erstens müsse die Wohnsituation für Familien deutlich verbessert werden. Zweitens brauche es familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Und zwar für Väter und Mütter. Drittens würde Bechtold eine Maßnahme begrüßen, die bei den blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen in Wien diskutiert wurde; nämlich Familien, in denen ein Kind zu Hause betreut wird, über 1000 Euro im Monat auszubezahlen: „Das wäre eine gute Idee.“

Mazal schlägt ein anderes Modell vor: „Ich bin dagegen, ein hohes Müttergehalt im Sinne einer Herdprämie vorzusehen. Man muss die Menschen schon auch daran gewöhnen, das Leben grundsätzlich selbst zu organisieren und nicht daran, dass der Staat alles macht. Ich würde daher nicht fix zum Beispiel 1200 Euro pro Monat überweisen. Eine Möglichkeit wäre, das Kinderbetreuungsgeld degressiv zu gestalten: Am Anfang mehr, im Laufe der Zeit weniger.“

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Atzinger lehnt eine Prämie ab: „Das würde das ungleiche Verhältnis geleisteter Sorgearbeit verschärfen, weil Frauen weiterhin den Großteil leisten würden. Sie wären damit erst recht langfristig finanziell vom Partner abhängig und würden Armutsgefährdung oder -betroffenheit, insbesondere im Alter, riskieren.“