Ist das der neueste Renner im Wintersport? Tourenski mit Elektroantrieb in den Startlöchern

Vorarlberg / 19.03.2025 • 11:35 Uhr
Ist das der neueste Renner im Wintersport? Tourenski mit Elektroantrieb in den Startlöchern
Mehrere Firmen beschäftigen sich derzeit mit der Entwicklung von elektrisch angetriebenen Tourenski, darunter E-Skimo und e-Ski aus der Schweiz.

Die ersten Modelle könnten bereits in der kommenden Saison erhältlich sein. Bergexperten haben Befürchtungen.

Schwarzach Wird das der neue Trend im Wintersport? Aktuell sind mehrere Firmen mit der Entwicklung von elektrisch angetriebenen Tourenski beschäftigt. E-Skimo mit Sitz im schweizerischen San Bernardino zum Beispiel, und e-Ski aus Kreuzlingen. Nicola Colombo, Gründer von E-Outdoor, dem Unternehmen hinter E-Skimo rechnet damit, dass die ersten Tourengeher bereits in der kommenden Wintersaison mit Elektroantrieb unterwegs sind. „Die Markteinführung der ersten Serie Zero ist im Dezember 2025 geplant“, sagt er den VN.

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Der E-Skimo.
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So soll der e-Ski aussehen.

Es gibt unterschiedliche Systeme. Während die Tourenski von E-Skimo an eine Pistenraupe erinnern, zieht bei e-Ski der vordere Ski den jeweils hinteren Ski nach vorne. Der Vorarlberger Experte für Skibergsteigen, Martin Bentele (69), zeigt sich grundsätzlich skeptisch. Die Gefahr sei, dass dadurch noch mehr Menschen „in Gegenden geschleppt werden, wo sie eigentlich selbst nicht mehr zurechtkommen, und hinunter müssen sie ja auch noch. Da muss man fit sein und die Umweltbedingungen beherrschen. Und was ist, wenn das System ausfällt“, gibt Bentele, der seit mehr als 40 Jahren Instruktor für Klettern, Bergsteigen und Skibergsteigen bei den Naturfreunden ist, zu Bedenken.  

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Mit dem E-Skimo ist man laut Hersteller um 80 Prozent schneller und kann bis zu viermal so viele Höhenmeter zurücklegen. „Wir sehen ein erhebliches Marktpotenzial darin, mehr Alpinskifahrer für Skitouren zu begeistern, insbesondere in kontrollierten Umgebungen wie markierten Routen in Skigebieten. Erfahrene Skitourengeher bevorzugen zwar weiterhin traditionelle Ausrüstung, wir erwarten jedoch eine ähnliche Dynamik wie bei der Entwicklung des E-Mountainbikes. Ebenso erwarten wir, dass E-Skimo das Skitourengehen einem breiteren Publikum zugänglich macht und den Sport inklusiver macht“, erläutert Gründer Nicola Colombo.

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Im Gegensatz zu E-Skimo können bei e-Ski die vorhandenen Skier, Felle und die Bindung weiterverwendet werden. Der Antrieb beschleunigt laut Entwickler den Aufstieg nicht, “sondern unterstützt den normalen Schritt und bewirkt, dass der Tourengänger weniger Kraft im Aufstieg benötigt, wodurch Leistungsunterschiede in der Gruppe ausgeglichen werden können, und ein besseres Gruppenerlebnis ermöglicht wird.” Bis die Antriebsmodelle erhältlich sind, werde es aber noch zwei bis drei Jahre dauern, schätzt Erfinder Stefan Lang. Die größte Herausforderung liege derzeit aber nicht in der Technik, sondern in der Finanzierung. “Eine weitere technische Herausforderung wird sein, die Größe und das Gewicht zu reduzieren. Wie bei allen E-Antrieben hängt die Leistung von der Größe und damit vom Gewicht der Batterie ab”, merkt Lang an.

Skitourenkurse,
Martin Bentele ist skeptisch, hat sich aber als Testperson beworben.

Für Martin Bentele stellt sich vor allem eine Frage: „Man sollte einfach fragen, ob es Sinn macht. Ist es gut für mich, ist es gut für die Umwelt, ist es gut für uns als Gruppe, was haben wir für Ziele? Was sucht der Mensch, wenn er Skitouren geht und ist ein elektrisch angetriebener Ski dabei hilfreich und sinnvoll?“ Für den 69-Jährigen ist die Antwort klar. Der einzige Einsatz, der aus seiner Sicht Sinn ergeben würde, ist im Falle eines Notfalles, damit die Rettung schneller hochkommt, wenn der Hubschrauber nicht fliegen kann. „Die, die nicht aus eigener Kraft auf einen Berg kommen, haben dort nichts verloren. Sie sollen es im Kleinen machen und sich daran erfreuen. Ich hoffe, dass es sich durchsetzt, dass die Menschen die wenigen Räume, die noch nicht technisiert sind, auch so bewahren“, unterstreicht er.

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So sieht der Vipera-Ski aus Amerika aus.

Wie groß das Potenzial von elektrisch angetriebenen Tourenski ist, sei schwer abzuschätzen, sagt der e-Ski-Chef. Schätzungen zufolge gäbe es im Alpenraum jedenfalls mehr als eine Million Tourengeher. Experten der Branche gingen von einem jährlichen Wachstum von fünf Prozent aus. Außerdem werde Skibergsteigen 2026 zu einer olympischen Disziplin. “Daher bin ich davon überzeugt, dass es eine mehr oder weniger große Nische für unser Produkt gibt”, sagt er. Instruktor Martin Bentele hat sich bereits als Testperson beworben.

Interview mit Stefan Lang, Erfinder von e-Ski (Kreuzlingen)

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Stefan Lang.

Wie ist die Idee zu e-Ski entstanden?

Stefan Lang Während den Skiferien im Jahr 2015 kam mein Schwager mit dem Hinweis für das nächste große Ding im Wintersport auf mich zu: ein Antrieb für Tourenski, ähnlich wie bei E-Mountainbikes. Als Maschinenbauingenieur, Tüftler und Inhaber eines Ingenieurbüros haben mich diese Gedanken nicht mehr losgelassen. Jeden Winter kehrte der Gedanke zurück, einen Antrieb für Tourenski zu entwickeln. Ein Antrieb mit Raupen schien mir jedoch ungeeignet, da die Traktion einer Raupe sich stark von derjenigen der Felle unterscheidet. Bestehende Felle sind bereits optimal an verschiedene Bedingungen angepasst. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema und der Anwendung von Kreativtechniken wie TRIZ entwickelte ich nach und nach eine Lösung für diese Herausforderung: Der jeweils vordere Ski zieht den jeweils hinteren Ski nach vorne. So kann der natürliche Schritt beibehalten und unterstützt werden. Der Clou ist eine Kupplung in der Mitte, die sich einfach auskuppeln lässt, um beispielsweise eine Spitzkehre zu machen, sich aber danach automatisch wieder einkuppelt.

Welchen Vorteil hat ihr Antriebssystem gegenüber anderen Systemen, die derzeit in Entwicklung sind?

Stefan Lang Das e-Ski-Modul ist meines Wissens das einzige, bei dem die bestehenden Skier, Felle und die Bindung weiterverwendet werden können und die Fahrdynamik nicht verändert wird. Nach der Montage der Adapterplatten auf handelsüblichen Tourenskiern können die e-Ski-Module einfach eingeklickt werden. Auf dem Gipfel lassen sich die Module innerhalb von Sekunden entfernen und im Rucksack verstauen. Die leichten Adapterplatten, die auf dem Ski oder Splitboards verbleiben, stören bei der Abfahrt nicht. Jeder kann seine bevorzugte Skimarke mit der entsprechenden Taillierung und Härte verwenden. Auch die Felle werden weiterhin genutzt, wodurch der gleiche Grip gegenüber dem Schnee erhalten bleibt wie ohne Antrieb. Die “Schnittstelle” zum Schnee bleibt gleich, ob mit oder ohne e-Ski-Modul. Ein weiterer Vorteil des Systems ist, dass wir keinen neuen Ski und keine neuen Felle oder Raupen entwickeln müssen, sondern uns ganz auf die Entwicklung des Antriebs fokussieren können.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung?

Stefan Lang Die größte Herausforderung liegt derzeit nicht in der Technik, sondern in der Finanzierung. Mehrere Funktionsmuster haben im Schnee bewiesen, dass das Prinzip funktioniert. Der nächste Schritt ist die Überarbeitung der elektrischen Antriebseinheit, insbesondere des Motors und des Akkus, um den winterlichen Bedingungen standzuhalten. Zudem muss eine Software entwickelt werden, die die Skitourengeher in ihrem natürlichen Schritt unterstützt, ähnlich wie man es vom E-Bike kennt. Um diese anspruchsvolle Entwicklungsphase zu starten, sind weitere Investoren und Partner notwendig. Eine weitere technische Herausforderung wird sein, die Größe und das Gewicht zu reduzieren. Wie bei allen E-Antrieben hängt die Leistung von der Größe und damit vom Gewicht der Batterie ab. Hier gilt es, ein Optimum zu erreichen.

Welche Kundengruppe wollen Sie ansprechen?

Stefan Lang e-Ski richtet sich an Personen, die mit ihrem Partner oder in der Gruppe mithalten wollen. Der Antrieb beschleunigt den Aufstieg nicht, sondern unterstützt den normalen Schritt und bewirkt, dass der Tourengänger weniger Kraft im Aufstieg benötigt, wodurch Leistungsunterschiede in der Gruppe ausgeglichen werden können, und ein besseres Gruppenerlebnis ermöglicht wird. Das e-Ski-Modul ist in erster Linie für Genussfahrer und diejenigen gedacht, die den Fokus auf die Abfahrt legen. Uns liegen aber auch schon Anfragen von Rettungsorganisationen vor.

Interview mit Nicola Colombo, Gründer von E-Skimo (San Bernardino)  

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Nicola Colombo.

Wie ist die Idee zu e-Ski entstanden?

Nicola Colombo Die Idee für E-Skimo entstand während der COVID-19-Pandemie, als Skigebiete geschlossen waren. Einige meiner Freunde, die zwar gute Alpinskifahrer waren, aber noch nie Skitouren ausprobiert hatten, luden mich ein, sie bei ihrem ersten Skitouren-Erlebnis zu begleiten. Doch nach nur 30 Minuten bergauf gaben sie auf, da sie es körperlich zu anstrengend fanden. In diesem Moment kam mir die Idee: Was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, den Aufstieg zu unterstützen, ähnlich wie E-MTBs das Trail-Fahren revolutioniert haben?

Welchen Vorteil hat ihr Antriebssystem gegenüber anderen Systemen, die derzeit in Entwicklung sind?

Nicola Colombo E-Skimo wurde speziell entwickelt, um Skifahrer beim Aufstieg, auch in steilem Gelände, zu unterstützen und gleichzeitig eine reibungslose Abfahrt zu gewährleisten. Unser System ist leicht (unter 4 Kilo) und kann während der Abfahrt im Rucksack verstaut werden, sodass das authentische Skierlebnis erhalten bleibt. Im Gegensatz zu anderen elektrisch betriebenen Skiern, wie dem kürzlich vorgestellten Vipera, der primär für flaches Gelände und nicht für Aufstiege oder Abfahrten konzipiert ist, konzentriert sich E-Skimo darauf, Skitourengehen ohne Leistungseinbußen zugänglich zu machen.

Welche Kundengruppe wollen Sie ansprechen?

Nicola Colombo Wir sehen ein erhebliches Marktpotenzial darin, mehr Alpinskifahrer für Skitouren zu begeistern, insbesondere in kontrollierten Umgebungen wie markierten Routen in Skigebieten. Erfahrene Skitourengeher bevorzugen zwar weiterhin traditionelle Ausrüstung, wir erwarten jedoch eine ähnliche Dynamik wie bei der Entwicklung des E-MTB: E-Bikes haben neue Fahrer für den Sport gewonnen, während einige traditionelle Mountainbiker der Technologie zunächst ablehnend gegenüberstanden. Ebenso erwarten wir, dass E-Skimo das Skitourengehen einem breiteren Publikum zugänglich macht und den Sport inklusiver macht.