Kolumne: Ein Stück Käse nach dem anderen
Seit zwei Wochen sehe ich einer jungen Frau dabei zu, wie sie sich um einen kleinen Hund kümmert. Die Frau heißt Isabell, sie lebt in Brooklyn, ich kenne sie gar nicht. Ich bin auf Instagram über sie gestolpert, wo mich ein Hundevideo ins nächste hineinzieht. Ich kann mich gegen diese Hundevideos nicht wehren, schlimmer noch, ich will mich gar nicht mehr wehren. Sie sind so eine Abwechslung von all dem Grauen in der Welt und von der Sorge, dass die Welt noch grauenhafter werden könnte.
Davon will ich manchmal abgelenkt werden: von völlig unbedeutenden Nettigkeiten. Diese Instagram-Isabell (@simonsits), eine Autorin, hat offenbar ein Talent für schwierige Tierheimhunde. Diesmal wurde ihr ein kleiner, komplett verängstigter Mischling anvertraut, der wohl aus schlimmen Verhältnissen gerettet wurde. Der Hund heißt Tiki, und seit zwei Wochen versuchen Isabell, ihr Freund und ihr anderer Hund das Vertrauen dieses kleinen Hundes aufzubauen, ganz langsam, ohne Druck, mit leisem Geflüster und einem Stückchen Käse nach dem andern.
Ich bin mittlerweile komplett süchtig nach diesen Tiki-Updates. Zuerst sah ich tagelang dabei zu, wie der Hund sich im Käfig hinter seinem Kissen versteckte, wie er sich einmal herauswagte und dann noch einmal, wie er sich mit Käse füttern ließ, wie er sich an Isabell heranschnupperte, während sie auf dem Boden saß und mit ihrem Laptop arbeitete und sich dann schnell wieder unterm Bett verkroch. Ich sah zu, wie das Hundi zum ersten Mal mit dem Schwanz wedelte, sich zufrieden auf den Rücken wälzte, außerhalb seines Käfigs schlief. Am 14. Tag dann strolchte Tiki zu dem Sofa, auf dem Isabell gerade lag, legte seinen Kopf darauf und holte sich neugierig seine erste Streicheleinheit ab. Und das war so nett. Es ist einfach nur ein fremder kleiner Hund mit einer gestreiften Schnauze und dunklen Knopfaugen, der sich nach zwei Wochen zum ersten Mal streicheln lässt, aber er erfreut mich.
Apropos Erfreuung, am Samstag ist wieder Songcontest. Für meine Familie ist das eine Art Feiertag. Denn nach einem Songcontest vor mehr als zwanzig Jahren beschlossen meine Kinder, ein paar Wochen zu früh auf die Welt kommen zu wollen, jedenfalls wurden sie am nächsten Tag geboren. Es war ein warmer Sonntag, sie waren winzig, aber gesund, und es hatten nicht die Griechen gewonnen, wie ich viele Jahre lang völlig fälschlicherweise behauptet habe, sondern Lettland. Egal. Heuer, das behaupte und hoffe ich, gewinnen wieder mal wir Österreicher. Das ist nämlich ein ganz fabelhafter Song, mit dem der talentierte junge JJ da antritt; wir fiebern mit.
Doris Knecht ist Kolumnistin und Schriftstellerin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wien und im Waldviertel.
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