Auch Vorarlberger arbeiten immer weniger

Vorarlberg / 23.05.2025 • 16:23 Uhr
Auch Vorarlberger arbeiten immer weniger
Seit dem Jahr 2015 ist die durchschnittliche geleistete Arbeitszeit in Vorarlberg um fast zwei auf 29,3 Stunden gesunken. Foto: APA

Teilzeittrend setzt sich fort: AK sieht ein gutes Zeichen, Wirtschaft ein alarmierendes.

SCHWARZACH. „Wir haben Kinder und teilen uns die Betreuung mit allem Drum und Dran auf“, sagt Ferdinand Koller (41) über sich und seine Frau. Dazu komme, dass ihnen ihre berufliche Tätigkeit gleich viel wert sei. Also würden sie beide Teilzeit arbeiten, so Koller, der es als Geschäftsführer der Sozialberatungsstelle „Dowas“ in Bregenz 35 Stunden pro Woche tut.  

Auch Vorarlberger arbeiten immer weniger
„Wir haben Kinder und teilen uns die Betreuung mit allem Drum und Dran auf“, sagt Ferdinand Koller über sich und seine Frau. Beide arbeiten daher Teilzeit. Foto: VN/Serra

Derlei ist längst nicht mehr die Ausnahme: Bei den 20- bis 64-jährigen Österreichern beträgt die tatsächlich geleistete Arbeitszeit 33,9 Stunden. Das hat das europäische Statistikamt „Eurostat“ für das vergangene Jahr festgestellt. Es gibt nur zwei EU-Länder, in denen es sich um weniger handelt (Norwegen und Niederlande). Sonst sind es überall mehr. An der Spitze steht Griechenland mit knapp 40 Stunden.

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„Statistik Austria“ berücksichtigt alle Erwerbstätigen, kommt für Österreich gar nur auf 29,4 und Vorarlberg auf 29,3 Stunden. Das sind fast zwei Stunden weniger als vor zehn Jahren. Der Rückgang betrifft sowohl Männer (auf zuletzt 33,3 Stunden) als auch Frauen (24,4 Stunden).

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Aus Sicht von Wirtschaft und Teilen der Politik ist das alarmierend: Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sieht eine „Wellnessmentalität“, mit der man den Wohlstand nicht halten könne. Simon Kampl, Geschäftsführer der Industriellenvereinigung im Land, pflichtet bei: „Da geht es schon auch um die Nachhaltigkeit unseres Sozialstaatsmodells.“ Das Arbeitszeitvolumen pro Kopf sinke, gleichzeitig nehme der Arbeitskräftemangel zu: „Das ist für unseren Produktionsstandort nicht zuträglich“, so Kampl. Ursachen seien Kinderbetreuung und „Fehlanreize im Steuersystem“: Wer von Teil- auf Vollzeit aufstocke, verdiene netto nicht entsprechend mehr. Abgesehen davon sei Österreich Spitzenreiter bei arbeitsfreien Tagen. In der Schweiz seien es 24, hierzulande 38 pro Jahr: „Ich will jetzt nicht über Feiertage diskutieren. Perspektivisch muss man sich aber schon fragen, ob wir uns so viele leisten können.“

Auch Vorarlberger arbeiten immer weniger
„Ich will jetzt nicht über Feiertage diskutieren. Perspektivisch muss man sich aber schon fragen, ob wir uns so viele leisten können”, so IV-Geschäftsführer Simon Kampl. Foto: VN/Paulitsch

Dominic Götz, Leiter der Interessensvertretung bei der AK, sieht in der Entwicklung auch gute Zeichen: International sehe man, dass in Ländern mit hoher Produktivität, aber auch hoher Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung die Arbeitszeit niedriger sei. Der Rückgang habe im Übrigen „natürlich damit zu tun, dass vor allem Frauen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt kommen, die eher Teilzeit arbeiten und so der Durchschnitt gedrückt wird“.

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Lea Putz-Erath von der Frauenberatungsstelle „Femail“ kann Sorgen um die Finanzierung des Sozialstaats nachvollziehen. Nur: „Mit Wellnessmentalität hat die Entwicklung nichts zu tun.“ Es blende aus, dass unbezahlte Haus- und Betreuungstätigkeiten bestimmen würden, wie viel bezahlte Arbeit möglich ist. Abgesehen davon verweist Putz-Erath auf ein anderes Phänomen: Für Jüngere wird es zunehmend unmöglich, allein mit Erwerbsarbeit zu Eigentum zu kommen. Ein Teil davon gibt das Ziel daher auf und arbeitet weniger.

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„Mit Wellnessmentalität hat die Entwicklung nichts zu tun”, widerspricht Lea Putz-Erath dem Wirtschaftsminister. Foto: VN/Paulitsch

Julia Brandl, Professorin für Personalpolitik an der Uni Innsbruck, bestätigt vieles und ergänzt: Nicht nur die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen, sondern auch die von Älteren senke die durchschnittliche Arbeitszeit, weil diese Personen ebenfalls eher Teilzeit arbeiteten. Dazu komme, dass Unternehmen aufgrund von wirtschaftlichen Unsicherheiten und der Rezession weniger Überstunden bräuchten. Und: Nicht vergessen werden dürfe, dass langfristig Branchen wie Gesundheit und Bildung wachsen würden, in denen traditionell Teilzeitstellen angeboten werden – „im Unterschied zur Industrie, wo Arbeitsplätze wegfallen“.