Liddy Scheffknechts Wohnzimmer

Vorarlberg / 04.06.2025 • 12:21 Uhr
Liddy Scheffknecht
Liddy Scheffknecht stellt ihre Skulptur “Living Room (Closing)” in der Kunsthalle Fro aus. christian schramm

Die Dornbirner Künstlerin thematisiert den Wandel des einstigen Familienzentrums.

Dornbirn Mit ihrer Skulptur Living Room (Closing) thematisiert Liddy Scheffknecht den Wandel des Wohnzimmers – einst familiäres Medienzentrum – zu einem Relikt unserer analogen Vergangenheit. Die fragile Installation, gefertigt aus Karton und Papierklebeband, erinnert in ihrer Form an ein klassisches Wohnzimmerensemble: Sofa, Tisch, Kommode und Fernseher sind klar auszumachen, doch ihre Erscheinung ist instabil – wie ein überdimensioniertes Pop-up-Buch lässt sich das Arrangement auf- und zuklappen. Im halb geöffneten Zustand, wie es im Funkhaus zu sehen ist, wirkt das Gebilde, als stünde es kurz vor dem Zusammenbruch. Scheffknecht verweist damit auf die schleichende Auflösung eines Raumes, der über Jahrzehnte hinweg durch das Fernsehen geprägt war – jenes Lagerfeuer der Moderne, das nun von mobilen Endgeräten, Streamingdiensten und On-Demand-Angeboten abgelöst wurde. Das klassische Wohnzimmer, einst ein Ort gemeinschaftlichen Medienkonsums, verliert seine kulturelle Selbstverständlichkeit. Die Skulptur wird so zum Sinnbild einer medial transformierten Alltagswirklichkeit, die sich ebenso auf unsere Lebensformen wie auf unsere Raumwahrnehmung auswirkt. Living Room (Closing) reflektiert nicht nur den Wandel der Mediennutzung, sondern auch die Ikonografie des Wohnzimmers in der Popkultur: Fernsehserien wie Friends, Seinfeld oder Die Simpsons stilisierten diesen Raum über Jahre hinweg zu einem kollektiven Symbol familiärer und gesellschaftlicher Dynamik – ein Bild, das zusehends ins Archiv unserer Erinnerung rückt.

Liddy Scheffknecht, geboren 1980 in Dornbirn, lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien sowie an der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts in Paris. Ihre künstlerische Praxis bewegt sich zwischen Skulptur, Installation, Fotografie und Video; thematisch widmet sie sich Fragen der Zeit, der Wahrnehmung, der Alltagsästhetik sowie den gesellschaftlichen Umbrüchen medialer Räume. Dabei arbeitet sie häufig mit einfachen, vergänglichen Materialien, aus denen sie präzise Arrangements formt, die sowohl physisch als auch metaphorisch die Realität verschieben. Seit 2006 sind ihre Arbeiten regelmäßig in nationalen und internationalen Gruppenausstellungen zu sehen – unter anderem 2023 in Future Past Perfect (Kunsthalle Wien), 2022 in Raum & Bild (Kunsthaus Bregenz), 2021 in Time is Now (Camera Austria, Graz), 2019 bei der Biennale für aktuelle Fotografie (Mannheim/Ludwigshafen/Heidelberg) und 2018 bei Analog Realities (PhotoEspaña, Madrid). Für ihr Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Theodor-Körner-Preis für Kunst, dem Staatsstipendium für bildende Kunst des BMKÖS, einem Artist-in-Residence-Aufenthalt an der Cité Internationale des Arts in Paris sowie dem Förderungspreis der Stadt Wien.

Die Arbeit ist täglich bis zum 14. September im ORF-Landesfunkhaus Vorarlberg zu besichtigen.