Hanno Loewy

Kommentar

Hanno Loewy

Standing Together

Vorarlberg / 25.06.2025 • 14:26 Uhr

Wem bei den widersprüchlichen Meldungen aus dem Krieg im Mittleren Osten in den letzten Tagen nicht schwindlig wurde hat offenbar nie einen Gleichgewichtssinn besessen. Israel feiert seinen „Sieg“ über den Iran. Der Iran feiert seinen „Sieg“ über Israel. Trump fordert einen Regimewechsel in Teheran. Trump fordert doch keinen Regimewechsel in Teheran. Die amerikanischen Bomben haben das Atomprogramm des Iran komplett zerstört.

„Einen Ausweg kann es nur geben, wenn Israelis und Palästinenser die andere Seite nicht als das „absolut Böse“ definieren.“

Die amerikanischen Bomben haben das Atomprogramm für sechs Monate zurückgeworfen. Trump verkündet eine Waffenruhe. Iran und Israel halten sich nicht daran. Iran und Israel halten sich doch daran. Iran und Israel halten sich vielleicht daran. Tatsächlich besteht der Sieg, den Netanjahu gerade verkündet hat darin, nun auch die israelische Bevölkerung im ganzen Land einem Bombenhagel ausgesetzt zu haben, den die Menschen in Israel so noch nie erlebt haben. Und der genau die Angst vor Vernichtung schürt, mit der auch er seit Jahren spielt und Zeit gewinnt und seinem Strafprozess entgeht. Und die vor allem verhindert, endlich nach einem Ausweg aus dem Konflikt zu suchen. Einem Ausweg, den es nur geben kann, wenn Israelis und Palästinenser die andere Seite eben nicht als das „absolut Böse“ definieren, gegen die jedes Mittel erlaubt ist, und damit auch jedes Verbrechen. Sondern als Gegner, mit dessen Interessen man einen Ausgleich finden muss, wenn man das Land zwischen Meer und Fluss denn auf irgendeine Weise teilen will. So scheint die einzige stabile Nachricht darin zu bestehen, dass alle Machthaber mit diesem tödlichen Spiel vor allem dafür sorgen, Machthaber zu bleiben. Auch Donald Trump hat den Nutzen dieses Spiels längst erkannt und von seinen Problemen einmal mehr erfolgreich abgelenkt. „No Kings“, so hieß es doch gerade auf den größten Demonstrationen, die die USA seit gefühlten Ewigkeiten erlebt hat. Aber der König, der längst einen brutalen Krieg gegen sein eigenes Land führt, lässt sich nun als Peacemaker feiern. Viele Israelis feiern schon lange ganz offen „King Bibi“. In der „einzigen Demokratie“ des Nahen Ostens. Und auch die Mullahs in Teheran feiern einmal mehr ihren Sieg über das eigene Volk. Schließlich herrscht seit den israelischen Angriffen vor allem Angst und Schrecken.


Währenddessen geht das Sterben in Gaza weiter. Und daran ändern auch die zaghaften „Bedenken“ aus Deutschland oder Frankreich wenig. Und die Geiseln bleiben in der Hand der Hamas. Es wäre schön, wenn zwischendurch – statt nur von außen Öl ins Feuer zu gießen – einmal über jene mutigen Palästinenser und Israelis berichtet werden würde, die der Falle der Selbstgerechtigkeit gegen das angeblich „absolut Böse“ etwas entgegen setzen – vom „Parents Circle“ und den „Combatants for Peace“ bis zu „+972 Magazine“ und „Standing Together“. Sie lassen sich alle leicht im Internet finden. Und sie haben Spendenkonten.
Im Hohenemser Salomon Sulzer Saal hingegen tritt in einer Woche die Band „Light in Babylon“ auf, eine lebendige Utopie unter der israelisch-iranischen Sängerin Michal Elia Kamal.

Hanno Loewy ist Direktor des ­Jüdischen Museums in Hohenems.