Pensionsfeigheiten (2)
Der legendäre österreichische Rechtsanwalt Michael Stern, noch mit 90 Jahren beruflich aktiv, wurde einmal gefragt, wie lange er noch arbeiten wolle. Solange, bis sein Sohn auch in Pension gehen könne und damit sicher versorgt sei, soll er geantwortet haben. Diese Schnurre beinhaltete alles, was in der Pensionsfrage von Wichtigkeit ist: Dass Aktivität im Alter möglichst lange erhalten werden soll. Dass man zur Sicherung des Pensionssystems die Lebensarbeitszeit verlängern muss und dass man sich dabei stets auch um die Kinder sorgen soll. Im Gegensatz zu immer mehr Ländern, in denen eine Anpassung durchgeführt wird, werden diese Erfordernisse in Österreich von maßgebenden Interessenvertretern und Entscheidungsträgern relativiert, umgedeutet und verdrängt. Es fehlt der Mut, den Tatsachen ins Auge zu blicken, dem eindringlichen Rat der Fachleute zu folgen und Klartext zu reden.
Es fehlt der Mut, den Tatsachen ins Auge zu blicken, dem eindringlichen Rat der Fachleute zu folgen
Bei uns sei das alles ganz anders, argumentieren die Bremser. Man könne etwa skandinavische Systeme nicht mit den unseren vergleichen und der Weg des sozialdemokratisch regierten Dänemark sei ohnehin zum Scheitern verurteilt. Man werde das reale an das gesetzliche Antrittsalter heranführen, heißt es seit Jahrzehnten, und überhaupt, man lasse sich das österreichische Pensionssystem nicht krankjammern. Wer wird aber in Wirklichkeit krankgejammert, wenn man uns Österreichern pauschalisierend nicht zutraut, ähnlich belastbar und leistungsbereit wie unsere Nachbarn zu sein? Dies bei einem der besten Gesundheitssysteme der Welt, bei hohen Krankenstandsquoten und Rekordzahlen an Kuraufenthalten, die ja auch dem Erhalt der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit dienen sollen.
Es geht nicht um Pensionskürzungen, nicht um die Benachteiligung jener, die 40 Jahre hart gearbeitet haben und schon gar nicht um Einsparen bei denen, die nicht mehr arbeiten können – ganz im Gegenteil. Gefragt sind Lösungen, die den Vorschlägen der Fachleute und den Vorbildern anderer Länder folgen: Welche Bedingungen brauchen ältere Mitarbeiter bezüglich Einsatz und Arbeitszeit? Welche Steuerbegünstigungen heben den Anreiz für Altersarbeit? Wie lässt sich bei den Dienstgebern ein altersfreundliches Klima schaffen? Wie kann durch einen allmählichen Anstieg der Pensionsgrenze die Aktivität im Alter gefördert und ein Zusammenbruch des Pensionssystems verhindert werden?
Eine konstruktive Lösung würde allen zugutekommen: Jenen, die eine Pension beziehen, dass diese in ordentlicher Höhe gesichert ist. Der Wirtschaft, indem der nach wie vor große Fachkräftemangel zumindest teilweise gemildert wird und der Generationsgerechtigkeit, wenn das Verhältnis von Beitragszahlern zu Pensionsbeziehern wieder ausgeglichen wird.
Univ.-Prof. Prim. Dr. Reinhard Haller ist Psychiater, Psychotherapeut und früherer Chefarzt des Krankenhauses Maria Ebene.
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