Hunger nach mehr Toleranz

Eva Bechter leistete beim Aufbau der Ernährungsberatung Pionierarbeit.
Bregenz. (VN-mm) „Die Älteste bin ich auch“, sagt Eva Bechter und lacht. Abgesehen davon ist sie die dienstälteste Diätologin im Land. Schon vor dreißig Jahren wurde sie in Sachen Ernährung aktiv. Damals noch in Hard, wo die gebürtige Tirolerin ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatte, und mit Unterstützung der Ärzteschaft sowie des Elternvereins. Das Projekt wuchs heran, schließlich sogar über sich hinaus. „Allein war das nicht mehr zu bewerkstelligen“, erinnert sich Eva Bechter. Sie klopfte beim Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin (aks) an. Doch der Empfang erwies sich als nicht gerade herzlich. „So etwas brauchen wir nicht“, hieß es. Inzwischen ist das vergessen. Gestern konnte das 20-jährige Bestehen der aks Ernährungsberatung und Diättherapie gefeiert werden.
Große Vorbehalte
Eva Bechter entstammt einer Gastwirtsfamilie. „Von daher spielten Lebensmittel bei mir immer eine große Rolle“, erzählt sie. Nicht zuletzt deshalb wollte sie Medizin studieren. Doch die Universität ging sich nach dem frühen Tod des Vaters nur noch für den Bruder aus. Die Tochter entschied sich für die Diätschule. Und machte auf diese Weise ihren Weg. Wiewohl es zu jener Zeit noch große Vorbehalte bezüglich Ernährungsberatung gab. In Hard fand Eva Bechter aber schnell Verbündete. Während ihres Engagements im Elternverein der Schule stellte sie Aktionen wie den „Pausendreh“ oder „blieb gsund“ auf die Beine. Und sie hielt Vorträge an Schulen im ganzen Land.
Ihr Einsatz blieb nicht unbeobachtet. „Irgendwann schickten mir die Ärzte die Leute sogar nach Hause“, so Eva Bechter. Sie wurde bei Bürgermeister Gerhard Köhlmeier vorstellig, der ihr einen kleinen Raum im Gasthaus „Alte Post“ zur Verfügung stellte. Damit war der Grundstein für die Ernährungsberatung von heute gelegt. Auch, was die finanzielle Seite betrifft. Die Gemeinde zahlte die eine, der Klient die andere Hälfte des Stundensatzes. Die Nachfrage überstieg jedoch schnell Rahmenbedingungen und Gemeindegrenzen. „Deshalb brauchten wir einen überregionalen Partner“, erzählt Bechter weiter.
Ärztliche Zuweisungen
Der aks übernahm. Heute gibt es 8 selbstständige Diätologinnen mit aks-Werksverträgen und 11 Praxen für Ernährungstherapie. Die Akzeptanz ist ebenfalls groß. Im vergangenen Jahr nahmen 1200 Frauen und Männer diese Dienstleistung in Anspruch. Sie werden, so Eva Bechter, zur Hauptsache von Ärzten zugewiesen. Das heißt, sie kommen erst, wenn der sprichwörtliche Hut brennt. Aber: „Je kranker, umso größer ist die Motivation, etwas zu verändern.“ Wichtig sei jedoch, immer die Lebensumstände und Lebensphasen der Betroffenen zu berücksichtigen. „Wir wissen heute, dass Übergewicht auch eine Folge von Stress ist“, nennt die Expertin ein Beispiel. Ausgehend von der Analyse gelte es dann, die nötigen Fäden zu spinnen. „Das geht nicht mit Diäten und Broschüren, sondern nur gemeinsam.“ Ein Stück weit könne sie da Wegbegleiterin sein.
Dass Diäten trotzdem immer noch ein gutes Geschäft sind, führt Eva Bechter vor allem auf die mangelnde Toleranz der Gesellschaft gegenüber schwergewichtigen Menschen zurück. Das schaffe eine Situation, für die sie schnelle Hilfe suchen. Mit dieser Not werde eben viel Geld verdient. „Deshalb muss das Bewusstsein da ansetzen.“
Je kranker, umso größer die Motivation zur Veränderung.
Eva Bechter
Zur Person
Eva Bechter
Geboren: 3. Februar 1949 in Obermieming
Familienstand: verheiratet, 3 Kinder, 5 Enkelkinder
Wohnort: Bregenz
Beruf: Diätologin
Hobbys: der Garten, die Enkel, Lesen, Berge