Leben vor und nach 1938

Wetter / 08.11.2013 • 18:39 Uhr
Bernhard Purin hat seine Liebe zum Thema Judentum schon „an Projekttagen am Bundesgymnasium Schoren“ entdeckt. Foto: VN/Hofmeister
Bernhard Purin hat seine Liebe zum Thema Judentum schon „an Projekttagen am Bundesgymnasium Schoren“ entdeckt. Foto: VN/Hofmeister

Der Bregenzer Bernhard Purin wirkt am Münchner Gedenken der Novemberpogrome mit.

München. (VN-tm) Heute Nacht werden ab 21.30 Uhr am Gedenkstein der ehemaligen Münchner Hauptsynagoge in der Herzog-Max-Straße mehr als 4000 Namen verlesen. Sie gehörten Jüdinnen und Juden, die in der „Reichspogromnacht“ vor 75 Jahren und der darauf folgenden Zeit entrechtet, deportiert und ermordet wurden. Auch der Bregenzer Bernhard Purin wird zehn Minuten lang Namen verlesen. „Ich bin um fünf Uhr früh dran.“

„In München trägt die Erinnerung besondere Züge“, betont der Gründungsdirektor des jüdischen Museums der Stadt. Schließlich haben Joseph Goebbels und Adolf Hitler am Abend des 9. November 1938 hier im Alten Rathaus den Auftakt zur Schoah beschlossen.

Dass der Holocaust auch in seinem Haus von zentraler Bedeutung ist, braucht Purin nicht zu betonen. „Und doch ist es wichtig, dass man auch darüber erzählt, wie Juden davor und danach gelebt haben.“ So vermitteln Stimmen von Zeitzeugen, Orte, Bilder und Objekte die Grundlagen jüdischer Identitäten und ihre Geschichten bis in die Gegenwart. Bis hin zum Auffund der sagenhaften 1400 Raubkunst-Bilder? Da sickert ein bitteres Lachen durch Purins Stimme. „Der Hype dürfte ja inzwischen vorüber sein.“ Er meint das zweifach: Einmal las er mit Verwunderung Presseberichte, die eine Messie-Wohnung herbeifantasierten, in der die Gemälde sich stapelten. Dabei waren sie, wie man heute weiß, sehr fachgerecht gelagert. „Zum Zweiten dürfte Cornelius Gurlitt – das sagen mittlerweile auch namhafte Raubkunst-Experten – der rechtmäßige Eigentümer sein.“ Das hat damit zu tun, dass der Kunstraub der Nazis in vielen deutschen Museen 1938 durch ein Gesetz legitimiert wurde, das heute noch gilt. Zwar haben sich Museen in Deutschland und Österreich zur Rückgabe von Raubkunst verpflichtet. Für private Sammler gilt diese Selbstverpflichtung aber nicht.

Also bleibt vielleicht nicht mehr als ein Steuervergehen? Doch, „die moralische Komponente“. Sie lässt sich durch kein Gesetz der Welt aushebeln. Auch daran erinnern die Novembertage 2013.

Raubkunst­bilder sind wenigstens schwer zu Geld zu machen.

Bernhard Purin

Zur Person

Bernhard Purin

wurde 2003 zum Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in München berufen, das er 2007 eröffnet hat.

Geboren: 6. Oktober 1963 in Bregenz

Ausbildung: studierte von 1985 bis 1990 Empirische Kulturwissenschaft und Neuere Geschichte in Tübingen

Laufbahn: 1990/91 Projektleiter für den Aufbau des Jüdischen Museums Hohenems, von 1992 bis 1995 Kurator am Jüdischen Museum Wien, 1995 Leitung des Jüdischen Museums Franken, ab 2007 Direktor in München

Familie: ledig