Der Kittel bleibt im Spind

Auch als Primar der Gerontopsychiatrie bevorzugt Reinhard Bacher den Freizeitlook.
rankweil. (VN-mm) Natürlich hängt da ein weißer Kittel im Spind. Reinhard Bacher hat allerdings keine oder nur selten Verwendung dafür. Bunt kariertes Hemd und Jeans: Er bevorzugt auch beruflich den Freizeitlook. „Die Patienten sehen uns lieber in normaler Kleidung“, merkt er mit jungenhaftem Lachen an. An dieser ebenso menschlichen wie sympathischen Einstellung wird nicht einmal seine neue Funktion etwas ändern. Seit ersten November leitet Reinhard Bacher die Gerontopsychiatrie im LKH Rankweil und folgt damit Primar Albert Lingg nach. Zwanzig Jahre ist der Bürser mit der Abteilung verbunden, mit der Arbeit dort, mit den alten Menschen, die Hilfe brauchen. „Das war eine Motivation, mich um diesen Posten zu bewerben“, erzählt er. Weitere Beweggründe: Er möchte sein Wissen an junge Kollegen weitergeben und an der Gestaltung einer altersgerechten Umgebung mitwirken.
Strukturen schaffen
Letzteres mag auf den ersten Blick pathetisch klingen, doch Reinhard Bacher weiß, wovon er spricht. Zwar werde viel über Demenz geredet. „Aber depressive Erkrankungen sind bei alten Menschen viel häufiger“, rückt er Tatsachen gerade. Bei den über 65-Jährigen trifft dies Untersuchungen zufolge auf 15 bis 25 Prozent zu. „Nehmen wir nur 15 Prozent, so bedeutet das für Vorarlberg 8000 bis 9000 Betroffene“, rechnet der Psychiater hoch. Vereinsamung, Krankheiten wie Parkinson, Diabetes oder Herzinfarkte, aber auch Alkohol treiben alte Menschen in depressive Verstimmungen. Seine Abteilung mit 64 Akut- und sechs tagesklinischen Betten kann und soll ihnen nur vorübergehend eine Herberge sein. „Die Betreuung muss dort stattfinden, wo die alten Menschen leben“, formuliert Reinhard Bacher eine Zukunftsvision, von der er sich wünscht, sie würde in den nächsten Jahren umgesetzt. Denn: „Je besser die ambulante Versorgung, umso weniger stationäre Betten brauchen wir.“ Eine Drehtür-Psychiatrie strebt er jedenfalls nicht an.
Medizin studiert hat Reinhard Bacher, weil es vier andere aus dem Dorf auch taten. Bei Albert Lingg landete er, weil alle anderen Turnusplätze besetzt und lange Wartelisten die Folge waren. Und er ist geblieben. Seinen Vorgänger lobt er als wunderbaren Chef, tollen Arzt und großes Vorbild. Nun hält er selbst das Ruder in der Hand. Reinhard Bacher führt es mit der Gelassenheit von 56 Lebens- und 30 Berufsjahren. Letztere haben ihm auch beigebracht abzuschalten, wenn die Spitalstüre hinter ihm ins Schloss fällt. „Mit Musik von Neil Young gelingt mir das besonders gut“, verrät der Mitbegründer des Gedächtniszentrums in Bürs.
Dann ist da noch sein politisches Engagement auf Gemeindeebene, das er als gesellschaftliche Verantwortung betrachtet. Gleichzeitig lehrte es ihn Respekt vor der Politik. „Seit ich das Geschäft kenne, schätze ich Politiker und Politik anders ein.“ Es klingt ehrlich.
Reinhard Bacher, dessen Frau übrigens auch Psychiaterin ist, strahlt Überzeugung aus, in dem was er tut und was er sagt. Dass Menschen ihm vertrauen verwundert da wenig. Und wie hält er es selbst mit dem Alter? Angst davor? Ein kurzes Nachdenken, ein leichtes Schmunzeln, dann die Antwort: „Ich hoffe, ich bringe das Alter anständig über die Runden und verfalle nicht in Altersstarrsinn.“ Ein paar Jahre hat er bis dahin noch Zeit.
Betreuung muss dort stattfinden, wo die alten Menschen leben.
Reinhard Bacher
Zur Person
Primar Reinhard Bacher
Geboren: 16. Mai 1958 in Bludenz
Wohnort: Bürs
Familienstand: verheiratet, zwei erwachsene Kinder
Beruf: Psychiater
Hobbys: Musik, Lesen