“Mama ist dafür geboren”

Sie war die erste Frau in Vorarlberg, die hauptberuflich im Rettungsdienst tätig war.
St. Gallenkirch. (VN-kum) Ihr Pager piepst. Edith Tschofen wird zu einem Einsatz nach Gaschurn gerufen. Die Sanitätskraftfahrerin setzt sich hinters Steuer des Rettungsautos und fährt gemeinsam mit einem Zivildiener nach Gaschurn. Dort muss sie einen Mann (89), der apathisch auf der Couch liegt, erstversorgen. Ihr Verdacht: Schlaganfall. Die Notfallsanitäterin entscheidet sich für die Hinzuziehung eines Notarztes. Dieser bestätigt ihren Verdacht. Edith fährt den Patienten mit Blaulicht ins Krankenhaus nach Feldkirch.
Ein Traum ging in Erfüllung
„Es ist erfüllend für mich, wenn ich helfen kann und den Patienten lebend ins Spital bringe“, sagt sie, während sie im Rettungsheim in St. Gallenkirch auf den nächsten Einsatz wartet. Helfen: Das wollte sie schon als Kind. Als sie acht Jahre alt war, sagte sie zu ihrer Mutter: „Mama, ich will einmal einen sozialen Beruf ergreifen.“ Edith wäre gerne Ärztin geworden. „Aber das war finanziell nicht drin.“ Nach der Schule arbeitete sie als Arztgehilfin. „Ich durfte röntgen, verbinden und sogar gipsen.“ Auch als Stationsgehilfin im Josefsheim lernte sie viel Neues. Dann wurde sie schwanger. Es folgte eine 17-jährige Familienpause.
Ein Lehrer fragte die dreifache Mutter, ob sie nicht ehrenamtlich bei der Rettung mitarbeiten wolle. „Dort herrschte gerade Personalmangel. Deshalb warben sie erstmals auch um Frauen.“ So kam Edith 1992 zum Roten Kreuz. „Die Männer nahmen mich gut auf“, erinnert sie sich, „aber ich wurde nicht geschont.“ Edith ließ sich zur Notfallsanitäterin (mit Notkompetenz) ausbilden. Sie war mit Enthusiasmus dabei. Denn: „Jetzt konnte ich Menschen in Not helfen.“ Als sie nach acht Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit bei der Rettung fix angestellt wurde, „ging für mich ein Traum in Erfüllung“. Die Gortipohlerin war die erste Frau in Vorarlberg, die hauptberuflich im Rettungstransport tätig war.
Inzwischen hat sie schon mehr als 3000 Rettungsausfahrten hinter sich. „Ich muss überall hinauf fahren. Im Winter ist das kein Honiglecken. Es gab Tage, da musste ich fünf Mal am Tag Ketten anlegen.“ Das Fahren ist das eine, die Versorgung der Patienten das andere. Edith weiß um ihre Verantwortung. Die langjährige Erfahrung im Rettungsdienst kommt ihr aber zugute, wenn sie vor der Entscheidung steht: Notarzt rufen oder nicht? Die 58-Jährige weiß bei keinem Einsatz, was sie erwartet. „Für mich ist jeder Arbeitstag eine Herausforderung. Ich weiß nie, was auf mich zukommt. Habe ich einen Toten oder einen Schwerverletzten?“ Es gab schon Wochenenden, „an denen ich jeden Tag eine Reanimation hatte.“
Ihr Rekord: 15 Ausfahrten an einem Tag! „Irgendwie bin ich stolz darauf, dass ich es immer schaffe“, murmelt sie. Ihre Kinder sind auch stolz auf sie. Die sagen: „Mama ist dafür geboren.“
Zur Person
Edith Tschofen
Geboren: 22.10.1956 in Bludenz
Wohnort: Gortipohl
Ausbildung: Arzthelferin, Notfallsanitäterin mit Notkompetenz
Hobbys: Singen, Wandern, Skifahren, Schwimmen
Familie: verheiratet, drei Kinder