Er macht uns nostalgisch

Walter Berchtold aus Schwarzenberg ist Vorarlbergs einziger Drehorgelbauer.
Schwarzenberg. (VN-kum) Kaum hat er begonnen, an dem Schwungrad zu drehen, fühlt man sich in eine andere Zeit versetzt, in eine Zeit, in der es noch keine Kassettenrekorder gab, keine CD-Player und keine iPods. Man glaubt sich auf einem Jahrmarkt im vorigen Jahrhundert. Damals gab es noch viele Drehorgelspieler, die für die Unterhaltung der Jahrmarktbesucher sorgten. Es sind alte und bekannte Melodien, die Walter Berchtold dem Leierkasten entlockt: Unweigerlich wird man nostalgisch, wenn man alte Gassenhauer wie La Paloma oder Lili Marleen hört.
Nostalgische Musik gefällt
Der Drehorgelspieler aus Schwarzenberg, der rund 20 Mal im Jahr auf Märkte geht und dort mit seiner Drehorgel Musik macht, hat festgestellt, dass den großen wie den kleinen Markbesuchern die nostalgische Musik gefällt. „Überall werde ich umlagert. In Rankweil zum Beispiel stellten sich Kinder in einem Halbkreis um mich herum. Sie nahmen sich an den Händen und begannen zu schunkeln“, erinnert sich Berchtold an ein besonders schönes Erlebnis.
Auch er war begeistert, als er in den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts auf dem Blosengelmarkt in Feldkirch einem Drehorgelspieler aus der Schweiz zuhörte. „Mir gefiel die Musik und die Tatsache, dass sie auf mechanische Weise entstand.“ Seine Begeisterung blieb nicht unbemerkt. Der Musikant versprach, ihm das Musikinstrument für ein paar Wochen zu leihen, damit er darauf spielen könne. Drei Wochen war der Leierkasten in seinem Haus.
Aber Berchtold ging es nicht nur ums Musizieren. Vor allem wollte er selbst eine Drehorgel bauen, kein leichtes Unterfangen, denn: „Es gab keine Pläne dafür und ich musste alles sozusagen neu erfinden und von Grund auf kopieren.“ An so ein Projekt kann sich nur jemand heranwagen, der wie Berchtold ein begabter Handwerker ist. Bis dahin hatte sich der gelernte Maler mit Laubsägearbeiten und hölzernen Einlegearbeiten hervorgetan und zum Teil filigrane Kunstwerke geschaffen. Auch selbst gemalte Ölbilder zeugten von seiner großen Kreativität und den künstlerischen Fähigkeiten. Berchtold brachte also alles mit: handwerkliches Geschick, Erfahrung, Begeisterung und das nötige Selbstbewusstsein. „Ich habe immer versucht, etwas zu machen, bei dem ich noch mehr gefordert werde.“ An seiner ersten großen Drehorgel baute er ein Jahr. Seine Frau Klara erinnert sich: „Walter arbeitete oft bis in die Nacht hinein. Ich musste ihn manchmal aus der Werkstatt holen. Er merkte gar nicht, wie die Zeit vergangen war.“ Berchtold zählte die Stunden nicht, „aber so an die 1000 werden es schon gewesen sein“.
Als er sie zum ersten Mal spielte, dachte er sich, dass man noch manches verbessern könnte. „Das hat mich angespornt, die nächste besser zu machen.“ Inzwischen hat der Wälder bereits fünf Leierkästen gebaut. „Jeder macht noch schönere Musik.“ Berchtold, der sogar die „Noten“, sprich die Löcher auf den Papierrollen, selbst gestanzt hat, kann auf einer Drehorgel bis zu 70 Lieder spielen. Bevor er seinen ersten Auftritt als Drehorgelspieler auf dem Markt in Schwarzenberg wagte, übte er zuhause fleißig. Denn: „Man muss das Drehen lernen und es mit Gefühl machen.“
Noch tritt er mit der großen Drehorgel auf. Aber weil diese 80 Kilo schwer und deshalb schwierig zu transportieren ist, baut der 77-Jährige derzeit eine kleine und leichte.
Kinder stellten sich um mich herum und begannen zu schunkeln.
Walter Berchtold
Zur Person
Walter Berchtold
hat fünf Drehorgeln gebaut. Es sind nicht nur technisch, sondern auch optisch Meisterwerke.
Geboren: 11. April 1939
Ausbildung: Maler
Familie: verheiratet mit Klara
Hobby: Drehorgeln bauen
Link zum Video: http://VN.AT/su9sO2