“Hatte ein reiches Leben”

Wetter / 30.05.2017 • 21:10 Uhr
Martha Greußing ist auch im Ruhestand aktiv. Unter anderem arbeitet die Frohbotin ehrenamtlich für das Sozialzentrum Mariahilf.  Foto: VN
Martha Greußing ist auch im Ruhestand aktiv. Unter anderem arbeitet die Frohbotin ehrenamtlich für das Sozialzentrum Mariahilf. Foto: VN

Frohbotinnen feiern 70-jähriges Bestehen der Gemeinschaft. Martha Greußing gehört ihr seit 46 Jahren an.

Lauterach. (VN-kum) Viele junge Frauen träumen von einer eigenen Familie. Nicht so Martha Greußing. Die Lauteracherin, die in der Nachkriegszeit geboren wurde, wollte keine Mutter und Hausfrau werden. „Als Kind musste ich im Haushalt mithelfen und meine drei Brüder bedienen. Das behagte mir gar nicht“, erinnert sie sich. Mit der damals herrschenden Frauenrolle konnte sie nichts anfangen. Vielmehr wollte sie in die Welt hinaus und sich beweisen. „Ich konnte mir nicht vorstellen, immer am selben Ort zu wohnen.“

Mutig und risikofreudig

Als Teenager schloss sie sich der Katholischen Arbeiterjugend an, „weil ich so hin und wieder von zuhause wegkam“. Später bot die Organisation der Handelsschulabsolventin einen Job in der Bundesleitung in Wien an. Greußing griff sofort zu, „weil ich ja weg wollte“. Drei Jahre war sie dort tätig. Dann klopfte der Diözesanseelsorger von Graz bei ihr an. „Er wollte, dass ich das Freizeitzentrum für Krankenschwestern leite.“ An Mut und Risikobereitschaft hatte es Greußing noch nie gemangelt. Deshalb übersiedelte sie nach Graz und übernahm die Funktion. „Ich wurde zur Gesprächspartnerin für die Krankenschwestern“, erinnert sie sich. 

In dieser Zeit trat sie dem Werk der Frohbotschaft Batschuns bei. Anliegen der 1947 gegründeten Frauenlaiengruppe ist es, die Lebensform der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams mitten in der Welt zu leben. Die Gemeinschaft stellte ihr Wirken unter das Leitwort „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen die Frohbotschaft bringe …“ Die ersten Frohbotinnen legten ihr Ordensgelübde 1948 ab. Greußing wurde Frohbotin, „weil es mir gefiel, dass hier Sozialarbeit gemacht wurde und ich Frohbotinnen begegnet bin, die mich beeindruckten“. Bevor sie nach Vorarlberg zurückkehrte und als pädagogische Assistentin im Bildungshaus Batschuns zu arbeiten begann, studierte sie in Wien Soziologie und Psychologie. Aber bald übersiedelte sie wieder in die Bundeshauptstadt, denn Pater Sporschill hatte nach ihr gerufen. „Ich habe mit obdachlosen Menschen gearbeitet und versucht, sie wieder arbeitsfähig zu machen.“ Die Arbeit mit diesen Menschen zeigte ihr, wie schnell man aus einem geregelten Leben herausfallen kann. Aber das Leben hatte mit der Frohbotin noch mehr vor. Die Leiterin der Gemeinschaft schickte Greußing als Aushilfe für acht Monate nach Bolivien. Dort arbeitete sie zunächst einige Monate in einer Hauptschule. Aus den acht Monaten wurden schließlich zehn Jahre. Greußing engagierte sich über Jahre in der Frauenbildung. „Wir hatten drei Teams, die zu den Frauen in den Dörfern gingen und ihnen unter anderem Hygiene beibrachten.“ Nachsatz: „Ich habe mit den Teams die Programme erarbeitet.“ 

1997 kehrte sie nach Vorarlberg zurück. Jetzt stand die 51-Jährige vor der letzten beruflichen Herausforderung. Auf Wunsch von Kaplan Bonetti übernahm sie die Leitung einer Frauen-Wohngemeinschaft. Nun hatte sie es mit obdachlosen und drogensüchtigen Frauen zu tun. „Ich bekam Hochachtung vor diesen Menschen. Denn sie müssen sich enorm anstrengen, um ihr Leben zu meistern.“

Rückblickend empfindet es Greußing als Glücksfall, dass sie Frohbotin wurde. „Diese Lebensform birgt viele Chancen. Ich durfte mich entwickeln und hatte ein reiches Leben.“ Dieses zeigt wie kaum ein anderes, dass Leben Veränderung bedeutet. „Aber wir brauchen die Veränderungen. Denn jede lässt uns reifer werden.“                            

Als Frohbotin hast du viele Chancen. Ich durfte mich entwickeln.

Martha Greußing

Zur Person

Martha Greußing

verschlug es als Frohbotin unter anderem nach Bolivien. In Südamerika wirkte sie zehn Jahre. 

Geboren: 25. November 1946

Ausbildung: HAS, Soziologie- und Psychologiestudium

Hobbys: Lyrik, fremde Kulturen