“Verzweifle nicht am Leid”

Wetter / 25.03.2018 • 18:37 Uhr
"Verzweifle nicht am Leid"

Als Intensivschwester ist sie täglich mit Leid und Tod konfrontiert.

Feldkirch. Als Kind konnte die gebürtige Niederösterreicherin kein Blut und keinen Menschen leiden sehen. Trotzdem besuchte sie später die Krankenpflegeschule. „Meine Mutter wunderte sich über meine Berufswahl und meinte: ,Weißt du schon, was du tust?‘“

Helga Kilga hat es nie bereut, dass sie Krankenschwester geworden ist. Bereits als Berufsanfängerin lernte sie ihren Beruf schätzen. „Wenn man mit Menschen arbeitet, lernt man alle Seiten des Menschseins kennen. Man geht in die Tiefe. Es kommt oft zu berührenden Begegnungen. Das ist ein schöner Aspekt meines Berufes, auch wenn er manchmal traurig ist.“

„Was mache ich da?“

Die Liebe zu einem Mann verschlug sie 1983 nach Vorarlberg. Hier liebäugelte sie mit der Intensivmedizin. „Die interessierte mich schon immer, weil zur Grundpflege auch eine technische Herausforderung kommt.“ Sie absolvierte die Sonderausbildung „Intensivmedizin“ und begann mit 29 Jahren auf der Intensivstation im LKH Feldkirch zu arbeiten. Die 56-Jährige weiß noch, wie ihr der Geräteraum am ersten Arbeitstag riesigen Respekt einflößte. „Ich dachte mir, um Gottes Willen, was machst du da?“

Laut Kilga war die Station schon damals pflegerisch und medizinisch auf einem hohen Level. Im Lauf der Jahre aber erlebte sie mit, wie die Abteilung sich zu einer großen Hightech-Hochstandard-Intensivstation entwickelte. Die Menschlichkeit blieb dabei aber nicht auf der Strecke, wie sie betont. „Feldkirch war schon immer eine menschliche Intensivstation. Das Wichtigste ist der kleine Mensch in der Mitte, unter vielen Kabeln und Schläuchen. So gehen wir an die Arbeit heran. Dann kann man auch nicht allzu viel falsch machen.“ Das Schicksal der Patienten lässt Kilga nicht kalt.

„Ich kann auch nach 27 Jahren noch über den Verlust eines Menschen weinen.“ Nachsatz: „Aber man kann nicht mit jedem Menschen mitsterben, sonst verliert man seinen Seelenfrieden.“ Um Menschen helfen zu können, brauche es eine gewisse professionelle Distanz. Freilich: „Der Selbstschutz, den man sich in diesem Beruf zulegen muss, funktioniert nicht immer. Es gibt immer wieder Patienten, die man geistig mit nach Hause nimmt, obwohl man gelernt hat, es nicht zu tun.“

Insgesamt aber kann die Pflegefachkraft mit der täglichen Konfrontation mit Leid und Tod gut umgehen. „Ich verzweifle nicht daran. Ich lebe intensiver und lasse das Leben nicht so dahinplätschern.“ Kilga, die vor dem Leben große Demut hat, „weil alles passieren kann“, hat noch eine „Unmenge von Plänen“.

Sie ist ein neugieriger Mensch, der immer wieder geistig gefordert werden möchte. „Das entspricht meinem Lernen- und Wissenwollen.“ Die 56-Jährige würde gerne sehr alt werden, „weil ich viele Bücher noch nicht gelesen habe und noch einige neue Dinge lernen will“. Die Frau, die bereits in jungen Jahren gelernt hat, wie man ein Motorflugzeug fliegt und in ihrer Freizeit immer wieder abhebt, möchte zum Beispiel noch lernen, wie man einen Hubschrauber fliegt.

In all den Jahren hat sie übrigens nicht ein einziges Mal daran gedacht, die Abteilung zu wechseln: „Weil ich den Job mit Leidenschaft mache und jeder Tag eine Herausforderung ist, menschlich wie fachlich.“ VN-kum

„Ich habe große Demut vor dem Leben, weil alles passieren kann.“

Zur Person

Helga Kilga
arbeitet seit 27 Jahren als Fachpflegekraft für Intensivpflege auf der Intensivstation am LKH Feldkirch. 

Geboren 22. Juli 1961

Geburtsort Scheibbs (NÖ)

Familie geschieden

Hobbys Lesen, Fliegen

  VN/Kuster