Viel Tier auf dem Teller

Der zu hohe Fleischkonsum hat für Lebewesen und Umwelt verheerende Konsequenzen.
schwarzach. Was einst nur sonntags auf den Teller kam, isst heute der Großteil der Menschen in den Industrieländern fast jeden Tag: Fleisch. In den letzten 50 Jahren hat sich der weltweite Fleischkonsum verfünffacht. Zurzeit werden jährlich 66,4 Milliarden Tiere für die Fleischproduktion geschlachtet, was in etwa dem Zehnfachen der Weltbevölkerung entspricht.
In Europa hat man schon immer viel Fleisch gegessen. In Österreich werden pro Person und Jahr durchschnittlich 70 Kilogramm vertilgt. Aber auch die Bewohner von Ländern, in denen man sich früher hauptsächlich vegetarisch ernährt hat – wie Indien und China – haben inzwischen enormen Appetit auf Fleisch entwickelt.
Während der Fleischkonsum in den Industrieländern zunimmt, hungern weltweit 880 Millionen Menschen. Dabei könnten auf der Erde mit den gegenwärtigen Ressourcen – bei richtiger und gerechter Verteilung – neun Milliarden Menschen ernährt werden.
„Nie wieder Fleisch?“
Mit diesem Titel hat Jutta Pinzler für den französisch-deutschen Fernsehsender Arte eine Dokumentation verfasst, die einem ganz schön den Appetit verderben kann. Mit eindrucksvollen Bildern schildert die 45-jährige deutsche Filmemacherin die globalisierte Fleischindustrie, in der es in erster Linie um Gewinnmaximierung geht.
Pinzler zeigt von internationalen Tierschützern aufgedeckte ekelerregende Zustände in der Putenmast in Deutschland sowie in der Rinderschlachtung in Frankreich auf. Dort werden Rinder sogar noch bei lebendigem Leib ausgenommen. Sie zeigt, wie Schweine maschinell in die Tötungsanlage geschoben werden. Und überhaupt, wie Masttiere als Futterverwertungsmaschinen in modern ausgestatteten Hightech-Firmen ihr kurzes Dasein fristen. Die Tiere werden nicht als Lebewesen respektiert, sondern als Produkte vermarktet.
Pinzler ist auch nach Paraguay gereist, wo der Tierfutterexport nach Europa zu extremer Armut geführt hat und das Leben vieler Menschen gefährdet. Sie beschreibt den tristen Alltag der dort lebenden Kleinbauern, deren Existenz von den Soja anbauenden Großkonzernen bedroht ist. Betroffenheit lösen die Bilder der verarmten Familien aus, die in Camps in der Nähe von Sojafeldern vegetieren. Denn mehr und mehr von ihnen erkranken durch die von den Soja-Großbauern versprühten hochgiftigen Pestizide und sterben an den Folgen. Wie der elfjährige Bub, der durch Wind einem Pestizid-Sprühregen ausgesetzt war, schwer erkrankte und starb.
Zudem hat eine Ärztin in einem Krankenhaus in Paraguays Hauptstadt Asunción im Rahmen einer Studie nachgewiesen, dass die Anzahl von Frauen, die in der Nähe von Sojafeldern wohnen, auffällig viele Babys mit Missbildungen zur Welt bringen.
Die EU importiert nicht nur Tierfutter, sondern exportiert auch billiges Fleisch in nichteuropäische Länder. Die Auswirkungen auf die lokalen Märkte sind katastrophal, denn die einheimischen Bauern sind der Konkurrenz aus Europa ausgeliefert.
Studien belegen Gegenteil
Fleisch sei gesund und für eine ausgewogene Ernährung notwendig, wirbt die Nahrungsmittelindustrie. Medizinische Studien belegen dagegen, dass der Konsum von zu viel Fleisch krank macht und das Leben verkürzen kann. Rotes Fleisch kann Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen. Das Krebsforschungszentrum Heidelberg warnt, dass Rindfleisch zu den Krebsfaktoren zähle. Auch Hühner- und Putenfleisch kann der Gesundheit schaden, weil das Geflügel häufig mit Antibiotika behandelt wird.
Jutta Pinzler hat auch einen Sprecher des EU-Agrarkommissars zur Thematik befragt. Und der meinte lächelnd: „Der Markt entscheidet.“ Solange die EU-Bürger so viel Fleisch verzehren, müsse man halt die negativen Folgen akzeptieren. Der Konsument wünscht, die Nahrungsmittelindustrie liefert. Und so liegt es einmal mehr am Konsumenten, entscheidend zu einem Wandel die Ernährung betreffend beizutragen.
Also, nie wieder Fleisch? Nein, es geht nicht um totale Fleischabstinenz, sondern lediglich um die Reduzierung des Konsums. Anstelle von viel Billigfleisch sollte man weniger Fleisch von hoher Qualität essen.
Fleisch-Gelüste
Die Österreicher essen
» 66,4 kg Fleisch pro Kopf jährlich
» 63 % Schweinefleisch
» 17,9 % Rindfleisch und Kalbfleisch
» 19,1 % Geflügel, Lamm und sonstiges Fleisch.