Rudolf Öller

Kommentar

Rudolf Öller

Die dunkle Macht

Wissen / 22.11.2013 • 14:41 Uhr

Statistiken sollte man nicht immer trauen, aber es gibt eine Statistik, die eindeutig ist. Es geht um die Zahl der Nobelpreisträger in den klassischen Disziplinen Medizin, Physik und Chemie. Vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute bekamen laut www.statista.com die USA 246 Nobelpreise zugesprochen, Großbritannien 78 und Deutschland 69. Es folgt ein Respektabstand. Frankreich bekam 32, Schweden 16 und die kleine Schweiz 15 Nobelpreise. Alle anderen Nobelpreise verteilen sich auf den Rest der Welt. Österreich ist bereits abgeschlagen mit sieben Nobelpreisen. In der Jugend ausgewanderte und später mit Nobelpreisen geehrte österreichische Wissenschaftler – beispielsweise Max Perutz – werden nicht uns zugeordnet, sondern dem Land, in dem sie studiert und gearbeitet haben.

Interessanter ist die Statistik der Universitäten, an denen Nobelpreise erarbeitet wurden. Die Liste wird von der University of California mit 36 Nobelpreisen angeführt. Es folgen Harvard (USA, 32 Preise), Massachusetts Institute of Technology (USA, 18 Preise) und das California Institute of Technology (USA, 17 Preise). Die erfolgreichste nichtamerikanische Universität ist Cambridge (England) mit 17 Preisen. Die deutschen Max-Planck-Institute tauchen an neunter Stelle mit zwölf Nobelpreisen auf.

Diese Verteilung ist nur teilweise auf Geldmittel zurückzuführen. Selbstverständlich spielt Geld eine Rolle, aber für große Leistungen in Kunst und Wissenschaft sind andere Kriterien maßgeblich. Wichtig sind Motivation am Arbeitsplatz, Auswahlverfahren und die Nichteinmischung staatlicher Institutionen. Der große britische Nobelpreisträger Joseph John Thomson beklagte 1916 in einer Ansprache die Unzulänglichkeit, ja geradezu bremsende Wirkung staatlicher Stellen. Thomson, der das Elektron entdeckt hatte, berichtete über Beamte, die ihm mehrmals den Rat gaben, sich mit nützlichen Dingen zu beschäftigen. Thomson meinte dazu sarkastisch: „Hätten Regierungsbeamte bereits in der Steinzeit gearbeitet, dann hätten wir heute fabelhafte Steinbeile, aber niemand hätte jemals die Metalle entdeckt.“

Österreich ist nicht mit den USA oder Deutschland zu vergleichen, aber es fällt auf, dass die kleinere Schweiz doppelt so viele Nobelpreisträger hervorgebracht hat und nach dem Zweiten Weltkrieg die österreichischen Nobelpreise ausnahmslos an ausländischen Instituten erworben wurden. Der Grund dafür ist bekannt. Es ist die dunkle Macht, eine autoritäre und alles nivellierende Schul- und Wissenschaftsbürokratie, die viel zu viel Geld verschlingt und jegliche Freiheit, die für Kunst, Bildung und Wissenschaft unabdingbar ist, nicht fördert, sondern eher behindert.

Unter dem Titel „Scheinwerfer“ geben die VN Gastkommentatoren Raum, ihre persönliche Meinung zu äußern. Sie muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.