Mit Agrarrohstoffen wird weiterhin kräftig gezockt

2013 war ein Jahr des Widerstands gegen die spekulativen Geschäfte mit Nahrungsmitteln.
schwarzach. Rund 842 Millionen Menschen sind chronisch unterernährt, informiert die Welthungerhilfe. Dass dies auch an den Nahrungsmittelspekulanten liege, darüber sind sich international operierende Hilfsorganisationen, Verbraucherschützer und auch Experten einig.
Der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam zufolge sind maßlose Spekulationen mit Agrarrohstoffen – oft Grundnahrungsmittel wie etwa Mais und Weizen – für die starken Preissprünge der letzten Jahre mitverantwortlich und tragen so zu globalen Nahrungsmittelkrisen bei. „Bei der Spekulation gehen Finanzakteure, wie Banken, Hedgefonds, Pensions- und Staatsfonds, bewusst Risiken ein, indem sie auf steigende oder fallende Nahrungsmittelpreise setzen – in der Hoffnung, schnell hohe Gewinne zu erzielen“, heißt es seitens Oxfam. Die Folgen: „Die Weltagrarmärkte sind ,finanzialisiert’ worden. Das heißt: Die Gesetzmäßigkeiten der Finanzmärkte und die Motive der Finanzakteure bestimmen und treiben immer mehr die Preise von Nahrungsmitteln wie Weizen, Mais, Soja, Zucker, Kaffee und Kakao.“ Auch die Spekulation mit Erdöl treibe die Nahrungsmittelpreise, da die industrielle Landwirtschaft sehr stark chemisch-synthetische Beiz- und Spritzmittel sowie Kunstdünger einsetzt. „Wenn Preise explodieren und Nahrungsmittel unbezahlbar werden, können sich in Armut lebende Menschen ihre tägliche Mahlzeit nicht mehr leisten und müssen hungern“, so Oxfam weiter.
Stärkere Regulierung gefordert
Anfang des Jahres 2013 forderte der Chef der Welternährungsorganisation FAO, Jose Graziano da Silva, ein schärferes Vorgehen gegen Nahrungsmittelspekulationen der Finanzbranche: „Ich bin für eine stärkere Regulierung, insbesondere des Derivatemarktes, der die Preise für Agrarrohstoffe extrem beeinflusst.“ Zu den größten Nahrungsmittelspekulanten in der EU zählen die Deutsche Bank und der Versicherungskonzern Allianz. Die Allianz habe in fünf Fonds 6,7 Milliarden Euro in Agrarrohstoffen angelegt, die Deutsche Bank 3,7 Milliarden. Naturgemäß hat die Finanzbranche eine andere Meinung dazu. Die Deutsche Bank macht für den Hunger verantwortlich, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln das Angebot übersteige.
Am 7. Mai, während in der Münchner Olympiahalle die Hauptversammlung der Allianz tagte, stellten Oxfam-Aktivisten vor dem Eingang ein überdimensionales Roulette auf, in dem sie ein „Hungerroulette im Kasino Allianz“ anprangerten, und forderten die Allianz auf, aus den Nahrungsmittelspekulationen auszusteigen. In Österreich haben Organisationen wie das globalisierungskritische Netzwerk Attac und die Caritas mit Petitionen dazu beigetragen, dass diese Form der Gewinnmaximierung nicht länger toleriert wird.
Warnung vor Druck
Kürzlich schlugen Attac und die britische Nichtregierungsorganisation World Development Movement Alarm: Die britische Regierung mache zusammen mit anderen Regierungen Druck, die geplante Begrenzung der Nahrungsmittelspekulation zu verwässern. „Seit vielen Monaten liegt die Forderung nach klaren Positionslimits, also Einschränkungen für reine Spekulationsgeschäfte im Bereich der Agrarrohstoffe, auf dem Tisch. Jetzt will der von den Briten beeinflusste Rat nur noch eine ‚Harmonisierung‘“, informierte Jutta Sundermann von Attac Deutschland. „Das aber würde einen Flickenteppich von Vorschriften bei der Begrenzung von Nahrungsmittelspekulation zur Folge haben und deutlich schwächer sein. Ganz zu schweigen vom ungeheuren bürokratischen Aufwand, wenn sich 28 nationale Aufsichtsbehörden mit der Europäischen Aufsicht abstimmen müssen.“
Beide Organisationen fordern die Regierungen auf, die Vorschläge von Parlament und EU-Kommission aufzugreifen. Damit würde die europäische Aufsicht nach Beratung mit den nationalen Behörden die Positionslimits für die gesamte EU verbindlich festsetzen. In der Folge könnten die Nahrungsmittelpreise nicht mehr so stark schwanken.